Drama in der Uckermark:Behindertes Mädchen aus Isolation befreit

Vielleicht war es den Eltern peinlich, dass ihre Tochter behindert war. Sie versteckten sie jahrelang in ihrem Haus in Brandenburg. Bis sie jetzt gefunden wurde.

Der Fall erinnert an Kaspar Hauser und das frühe 19. Jahrhundert. Jahrelang soll der Junge in einem Kerker damals gefangen gehalten worden und dabei geistig verkümmert sein. Mehr als 170 Jahre nach dem Tod des angeblichen Erbprinzen von Baden ist jetzt in der Uckermark ein Mädchen aus dem Haus seiner Eltern befreit worden. Die 13-Jährige wurde im nordbrandenburgischen Lübbenow vermutlich mehrere Jahre von ihren Eltern eingesperrt und von der Außenwelt abgeschottet. Das Mädchen ist geistig behindert und körperlich beeinträchtigt.

Das Jugendamt des Landkreises Uckermark nahm das Mädchen bereits nach der Anzeige eines Nachbarn am 15. Juli in Gewahrsam und brachte es in eine Klinik, sagte Kreissprecherin Ramona Fischer. Ein Nachbar hatte zuvor die Behörden informiert.

Laut Fischer untersuchen Fachärzte in einer Klinik, in welchem Zustand sich die 13-Jährige befindet und welche Hilfen das Kind benötigt. Ärzte sollen prüfen, inwiefern die Isolierung des Kindes zu einer Verschlimmerung seiner Behinderungen geführt hat.

Keine Anzeichen von Misshandlung

Anzeichen von Gewalt gegen das Kind seien aber nicht zu erkennen, sagte ein Justizsprecher. Es gehe vor allem darum, ob das Mädchen durch die Art der Behandlung Schäden erlitten habe. Die beiden Geschwister des 13-jährigen Mädchens betreut jetzt das Jugendamt. Bei deren Erziehung durch die Eltern gab es aber der Staatsanwaltschaft zufolge keine Auffälligkeiten.

Die Eltern zogen laut Kreissprecherin Ramona Fischer schon vor Jahren nach Lübbenow. Intern prüft die Verwaltung, wie das Kind so lange unbemerkt bleiben konnte. Zur Schule ging es nicht. Es müsse nun untersucht werden, warum dies jahrelang den Behörden nicht aufgefallen sei, sagte Fischer. Wie lange das Kind bereits eingesperrt war, muss nach den Worten der Sprecherin ebenfalls noch untersucht werden. Die Staatsanwaltschaft geht von neun Jahren Isolierung aus.

Brandenburgs Jugendminister Holger Rupprecht (SPD) reagierte erschüttert auf den Fall des vernachlässigten Mädchens. Nachbarn der Familie müssten von der 13-Jährigen gewusst haben. "Wenn dann jahrelang nicht reagiert wird, dann macht mich das sprachlos." Zugleich warnte er vor einer Vorverurteilung der Behörden.

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