Domenica-Begräbnis:Der Kiez trauert

Zwei Wochen nach dem Tod von Domenica haben zahlreiche Freunde auf dem Hamburger Kiez Abschied von Deutschlands berühmtester Prostituierten genommen.

Jens Schneider, Hamburg

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Zwei Wochen nach dem Tod von Domenica haben zahlreiche Freunde auf dem Hamburger Kiez Abschied von Deutschlands berühmtester Prostituierten genommen. Von Jens Schneider, Hamburg

"Der Kiez ist gekommen, um Abschied zu nehmen", sagt eine Frau aus dem Viertel. Es sind Leute darunter, die Domenica als eine Frau beschreiben, die jedem helfen wollten, "die einem, der nichts zu futtern hatte, gleich einen Zehner zusteckte, auch wenn sie selbst wenig hatte." Einer trägt ein Herz in den braun-weißen Farben des FC St. Pauli, "Danke, Domenica", hat er darauf geschrieben.

Im Zug sind auch viele Frauen, die sich Domenica wegen ihres Engagements für Frauen aus dem Milieu verbunden fühlen.

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Vom Hans-Albers-Platz ziehen die Trauernden in die Herbertstraße, wo Frauen, die nicht als Huren arbeiten, sonst nicht geduldet sind. Hier hat Domenica selbst einst hinter dem Fenster gesessen und ihre Dienste angeboten.

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Hier hat ihr Aufstieg zu Deutschlands bekanntester Hure seinen Anfang genommen, als sich Zeichner wie Tomi Ungerer oder Horst Jansen für die opulente Domina faszinierten.

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Sie wurde vor allem in Achtzigern des letzten Jahrhunderts in Skizzen und Gedichten porträtiert, ihr wurden Gedichte gewidmet, und sie spielte bald auch in Filmen mit.

Nicht nur Künstler zeigten sich bald gern an ihrer Seite, Fotos aus diesen Jahren zeigen sie an der Seite von Heidi Kabel vom Ohnsorg-Theater oder Fürstin Gloria zu Thurn und Taxis. Es war chic, an ihrer Seite gesehen zu werden.

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Später beklagte sie sich oft über die Scheinwelt. Wo sie einst ihr Studio hatte, hält der Trauerzug für eine Gedenkminute inne. Die Kapelle spielt "I can't get no...Satisfaction".

1990 hatte Domenica aufgehört, als Prostituierte zu arbeiten. Für kurze Zeit wurde sie von der Stadt als Streetworkerin engagiert, kümmerte sich um junge Mädchen im Milieu. Später versuchte sie sich mit einer Kneipe am Fischmarkt, bevor sie für einige Jahre in den kleinen Ort Boos in die Eifel zog und eine Pension eröffnete.

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Doch sie fühlte sich dort beengt, kam oft nach Hamburg, bis sie dann - inzwischen stark lungenkrank - nach St.Pauli zurück zog, wo sie noch immer "bekannt war wie ein bunter Hund", wie Sozialarbeiterin Maike Hahnke von der "Kaffeeklappe" sagt: "Für St. Pauli war Domenicas Tod ein Schock." Die "Kaffeeklappe" ist ein vom diakonischen Werk und aus Spenden finanziertes Hilfsangebot für Frauen aus dem Milieu. Es unterstützt beim Ausstieg aus der Prostitution und begleitet sie, wenn sie auf dem Weg zu Behörden oder bei der Wohnungssuche.

Auch Domenica Niehoff nahm diese Hilfe in Anspruch. Sie war zwar eine stadtbekannte Persönlichkeit. Und auch wenn sich durch ihren Einsatz für die Rechte von Prostituierten viel verändert habe: "Wenn eine Frau sich offen dazu bekannt, dass sie als Hure gearbeitet hat, stößt sie zum Beispiel bei Vermietern immer noch auf Vorbehalte", sagt Hahnke, "das war für Domenica nicht anders."

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Vor Unternehmungen auf dem Kiez wie der Wohnungssuche für Domenica "mußte man immer eine Viertelstunde mehr einplanen", sagt die Betreuerin. "Sie konnte nicht einfach nur über die Straße gehen." Immer traf sie jemanden, der plaudern oder ihr Sorgen anvertrauen wollte. Domenica sei eben vom "Typ her eine Helferin gewesen". Sie habe sich stets anderen gewidmet, aber wenig auf sich geachtet.

Wenn sie eine alte Kollegin traf, "die nichts zu futtern hatte, hat sie der eben einen Zehner in die Hand gedrückt."

Bei den Treffen in der Kaffeeklappe" konnte Domenica das Gefühl haben, dass die Frauen, oft alte Kolleginnen, wirklich sie meinten, wenn sie mit ihr sprachen. Es habe die berühmte Frau doch sehr verbittert, dass viele sich oft nur mit ihrer Prominenz schmücken wollten, sagt Maike Hahnke. Für einen namhaften Dichter, der sie einst als Muse schätzte, habe Domenica, so erzählen andere Freunde, nur noch Verachtung empfunden.

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Dass nach ihrem Tod geschrieben wurde, sie sei einsam und verarmt gestorben, hat viele auf dem Kiez empört. "Nein, sie war zwar nicht wohlhabend, aber bestimmt nicht verarmt. Schon gar nicht einsam und verbittert", sagt Hahnke. Im Gegenteil, Domenica habe ihre Leichtigkeit trotz der schweren Lungenkrankheit nicht verloren.

Doch weil der erschöpften, durch die Krankheit sehr eingeschränkte Frau der viele Besuch manchmal zu viel war, "hat sie manchmal die Tür nicht aufgemacht". Bestattet werden soll sie offenbar im sogenannten "Garten der Frauen" auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg, auf dem einige bedeutende Hamburger Künstlerinnen ruhen.

Foto: ddp(Trauergäste) /Text: SZ vom 28.2.2009

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