Dokumentation:Die Last der Krone

Dokumentation: Am 2. Juni 1953 setzt der Erzbischof von Canterbury Elizabeth II. die Krone auf – und verdeckt sie komplett.

Am 2. Juni 1953 setzt der Erzbischof von Canterbury Elizabeth II. die Krone auf – und verdeckt sie komplett.

(Foto: AP)

Die Briten fiebern auf die royale Hochzeit im Mai hin, jetzt geht auch die Queen an die Öffentlichkeit - ausnahmsweise. Interviews sieht das Protokoll in der Regel nicht vor.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die Queen gibt keine Interviews, das sieht das Protokoll nicht vor. Wer also mit ihr sprechen will, muss quasi ein Selbstgespräch mit Aufforderungscharakter führen, in das sie eingreift, wenn sie mag. Als es um ihre Krönung ging, die in diesem Jahr 65 Jahre zurückliegt, mochte sie; also setzte sie sich mit dem britischen Königshaus-Spezialisten Alistair Bruce für die BBC zusammen, um über gute alte Zeiten zu reden. Fans der Royals kamen dabei auf ihre Kosten, denn es gab rare Filmausschnitte aus den Vorbereitungen für die Krönung in der Westminster Abbey zu sehen, die damals für die Aufbauarbeiten ein halbes Jahr lang geschlossen worden war. Elizabeth II. selbst wurde nach dem Tod ihres Vaters satte 16 Monate auf den großen Moment vorbereitet, der ihr im Rückblick wie ein ewig langes, minutiös ausgefeiltes "Ballett" vorkam. Es sei doch ein "ziemlich langer Tag" gewesen, murmelte sie, während sie die historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen betrachtete, die sie selbst offenbar noch nie gesehen hatte.

Die Erinnerungen der Queen nach fast 70 Jahren Regentschaft kommen zum richtigen Zeitpunkt. Die Begeisterung der Briten für ihr Königshaus kennt, wiederkehrenden Vorhersagen über den nahenden Untergang der Monarchie zum Trotz, keine Grenzen. Derzeit ist die Euphorie besonders groß, weil die Vermählung von Prinz Harry mit der US-Schauspielerin Meghan Markle im Mai ansteht. Wettbüros verzeichnen einen Run, wie Rupert Adams vom Anbieter William Hill berichtet. Die Farbe des Hochzeitskleids (nicht weiß?), das Ziel der Hochzeitsreise (Schottland?), der erste Sänger auf der Hochzeitsfeier (Elton John?), sogar der Bart von Harry (dran oder ab?) - über alles werden Wetten abgeschlossen. Nur der Name des dritten Babys von William und Kate läuft noch besser. Favorit, falls es ein Mädchen wird: Alice.

Schlechter lief es dagegen am Wochenende für eine vor allem in den Boulevardblättern populäre Blondine, die sich via Twitter darüber mokiert hatte, Markle bringe mit ihren afroamerikanischen Wurzeln Verderben über das Königshaus. Die Windsors liefen Gefahr, dass demnächst ein schwarzer König auf dem Thron sitze, was nun wirklich das Allerletzte sei. Die Dame war die Geliebte des Chefs der europafeindlichen Ukip-Partei, Henry Bolton. Der trat nicht etwa zurück, sondern verließ seine Freundin, nachdem er sich von ihr öffentlich distanziert hatte. Danach wandten sich die Briten wieder beruhigt ihren Wetten und der Krönungs-Doku zu.

Schon vor der Ausstrahlung waren einige hübsche Ausschnitte gesendet worden: Die Krone sei so schwer, hatte Elizabeth II. ihrem Gesprächspartner gestanden, dass man den Kopf nicht senken könne, sonst breche der Hals. Und die goldene Kutsche sei so schlecht gefedert, dass es eine Qual sei, stundenlang damit durch die Stadt zu fahren. Dass die Insignien königlicher Macht während des Krieges in Windsor versteckt und Teile davon in einer Keksdose gelagert wurden, wusste sie nicht. Ansonsten, sagte sie, sei sie sehr gut auf die Krönung vorbereitet gewesen: Sie hatte auf Bitten ihres Vaters, König Georg VI, eine Art Tagebuch über seine Krönung angefertigt und betrachtet es im Nachgang als Privileg, Zeugin gleich zweier Zeremonien gewesen zu sein: der des Vaters und der eigenen.

Selbst bei ihrer eigenen Krönung verlor sie nicht ihren Humor, sie fragte: "Ready girls?"

Man kann sich als Nicht-Brite über die Ernsthaftigkeit wundern, mit der dieses Land sich an die überkommenen Regeln und Rituale, an die Mysterien und den Mummenschanz klammert, die das Königshaus umgeben. Auch die Briten können darüber lachen, aber: Sie würden doch nie an der Institution rütteln, zumal in einer Zeit, in der mit dem Brexit so viele andere Gewissheiten bröckeln. Was galt, soll also weiter gelten: Der Ablauf der Krönungszeremonie ist aus dem Jahr 973 überliefert und wird, im Wesentlichen, nach historischen Vorgaben bis heute vollzogen. Westminister Abbey ist seit 1066 Schauplatz der Feierlichkeit. Seit 1386 ist der Duke of Norfolk für den makellosen Verlauf der Krönung verantwortlich. Das Öl, mit dem die Queen gesalbt wurde, enthält Spuren von Rosen, Orangen, Zimt, Moschus und Olive und wird in der Regel gleich für mehrere Krönungen hergestellt; von der letzten, 1953, sind noch Reste erhalten.

Und was für eine Show das damals war; jeder im Königreich erinnert sich daran. Allein die schieren Zahlen sind überwältigend: Millionen Zuschauer saßen vor den Fernsehschirmen; die TV-Übertragung galt damals als fast ungeheuerliche Innovation. 6500 Sonderzüge brachten Zehntausende begeisterte Briten in die Stadt, die im Regen tagelang an der Strecke campten, an der die goldene Kutsche der Queen entlangfahren würde. Vor der Abbey lag ein 57 Meter langer Teppich für die Monarchin bereit, drinnen, auf bienenwabenartig gestapelten Galerien, hockten 8000 Gäste. Die Queen, erfährt man, habe bei all der Anspannung ihren trockenen Humor nicht verloren: "Ready, girls?", habe sie ihre Ehrendamen gefragt, als es losging. Und dann, bis zum Schluss, ohne Regung durchgehalten. Der mutmaßlich nächste König ist in der Dokumentation übrigens auch zu sehen: Als vierjähriges Kind versteckt sich Prinz Charles unter der Schleppe seiner Mutter. Das nächste Mal wird er wohl selbst die Krone mit ihren 2868 Diamanten, 17 Saphiren und Hunderten Perlen tragen, die 1,3 Kilo wiegt. Nicht alle Briten freuen sich darauf.

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