Süddeutsche Zeitung

Diskussion um Frau des israelischen Premiers:Die leeren Flaschen von Sara Netanjahu

  • Die Ehefrau des israelischen Regierungschefs, Sara Netanjahu, hat Flaschenpfand, das eigentlich der Staatskasse gehört, in die eigene Tasche gesteckt.
  • Das Land diskutiert nun über ihre angeblichen Ausschweifungen. Ihrem Mann könnte das im Wahlkampf gefährlich werden.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Vom süßen Leben der Sara Netanjahu ist schon so manches nach außen gedrungen in den vergangenen Jahren: Über Eiscreme-Exzesse wurde berichtet, über turmhohe Frisör-Rechnungen und sonstige teure Sünden. Das mag noch brav klingen angesichts der Prunksucht manch anderer Herrscherhäuser in der Nachbarschaft, doch für die Israelis war schon immer klar, dass die Gattin ihres Regierungschefs vom Volk und vielleicht auch von der Welt entrückt ist. Strohblond sorgt sie seit Menschengedenken für Schlagzeilen. Doch niemals wohl war die Aufregung so groß wie nun in dieser Affäre, die sogleich den Namen "Bottlegate" bekam.

Dass es dabei um Flaschen geht, ist nun in der Politik nicht unüblich. Doch wer nun gleich an Champagner denkt, der versteht nichts von den Niederungen der israelischen Machtkämpfe.

Die Flaschen des Anstoßes sind vielmehr leer, und die ganze Affäre dreht sich ums Flaschenpfand. Den nämlich soll Sara Netanjahu in die eigene Tasche, am Ende vielleicht sogar in eine Gucci-Geldbörse, gesteckt haben - obwohl die in ihrer Residenz geleerten Flaschen auf Staatskosten gekauft worden waren. Schillernd also ist diese Affäre nicht, eher peinlich kleinkariert. Und trotzdem könnte sie für den Premierminister zur ernsten Gefahr werden.

Sturm ums Flaschenpfand statt politischer Themen

Denn es herrscht Wahlkampf in Israel, und statt über die Sicherheit des Landes zu diskutieren, über Hisbollah-Granaten und Hamas-Raketen, oder über die ständig steigenden Preise, tobt nun ein Sturm ums Flaschenpfand. Natürlich wird dabei kein Gedanke an den Umweltschutz verschwendet, und nicht einmal die ansonsten ziemlich pfiffigen Medienstrategen des Premiers haben es gewagt, auf Sara Netanjahus Vorbildrolle zu verweisen. Schließlich landen sonst die meisten Flaschen achtlos im Abfall, während die Erste Dame des Staats sie sorgsam sammelte und von ihrem Fahrer zum Supermarkt bringen ließ. Doch wie sie das tat und in welcher Dimension, das ist tatsächlich mehr als verwunderlich und liefert neuen Stoff für die endlose Sara-Saga über Kleinmut und Größenwahn, Raffgier und Verschwendungssucht.

Losgetreten wurde der Skandal vom früheren Hausmeister der Netanjahus in der Jerusalemer Residenz. Menny Naftali hatte schon im vorigen Frühjahr seine ehemaligen Arbeitgeber auf eine Million Schekel, umgerechnet mehr als 200 000 Euro, verklagt - als Kompensation für allerlei Erniedrigungen, die ihm die Hausherrin zugefügt haben soll. Sie soll ihn zum Beispiel eines Nachts um drei Uhr aufgeweckt und beschimpft haben, weil er die Milch in einem falschen Karton besorgt hatte. Ein andermal, so klagt er, habe sie eine Vase mit verwelkten Blumen auf den Boden geworfen. "So etwas würde niemals im Elysée-Palast stehen", habe sie gerufen.

Schuhwurf an den Kopf des Kindermädchens

Solche Wutausbrüche von Sara Netanjahu sind nicht schön, aber auch nicht neu. Schon in den Neunzigerjahren, als die ehemalige Stewardess und spätere Kinderpsychologin zum ersten Mal als Premiersgattin amtierte, war sie auffällig geworden durch einen gezielten Schuhwurf an den Kopf des Kindermädchens. Es folgten bis heute einschlägige Eskapaden, die den Verdacht nahelegen, dass es in der Jerusalemer Residenz zugeht wie im RTL-Dschungelcamp.

Und auch im jüngsten Prozess erhielt der Hausmeister noch von zwei weiteren ehemaligen Bediensteten Schützenhilfe. In ihren Zeugenaussagen beschrieben sie Medienberichten zufolge, wie die 56-Jährige "das Personal terrorisiert und in der Residenz ein Klima der Angst geschaffen" habe. Besonders schlimm sei ihr Verhalten stets dann gewesen, wenn sie große Mengen an Alkohol getrunken habe. Und hier schließt sich dann der Kreis zu den Flaschen.

Denn nach Hochrechnungen des Hausmeisters soll es sich in den Jahren 2009 bis 2013 um insgesamt 80 000 Flaschen gehandelt haben, für die Pfand kassiert wurde. Gewiss, nicht alles davon entfällt auf Wein und Spirituosen. Das wird dadurch belegt, dass Sara Netanjahu das Personal angewiesen haben soll, spezielle Wasserflaschen zu kaufen - und zwar kleine, weil das mehr Pfand einbringe. Insgesamt kam dabei jedenfalls ein schönes Sümmchen zusammen: Bei 30 Agorot (gut sechs Cent) pro Flasche sind es knapp 5000 Euro.

Der Geist ist aus der Flasche, und der Premier bemüht sich nun mit aller Macht, die Affäre vor der Parlamentswahl am 17. März nicht weiter ausufern zu lassen. Heldenhaft hat sich Benjamin Netanjahu schützend vor seine Frau gestellt und die Kritiker aufgefordert, sich gefälligst mit ihm auseinanderzusetzen und seine Familie in Ruhe zu lassen. Den Medien, die mit Wonne und immer neuen Details über den Fall berichten, unterstellt er ein Komplott im Bunde mit den Linken, um ihn zu stürzen. Seine Berater schwärmen aus in die Talkshows und Nachrichtensendungen, und die stets regierungstreue Zeitung Israel Hajom präsentiert einen Fahrer, der bekundet, das Pfandgeld habe Saras Taschen gar nicht erreicht, sondern sei in eine "kleine Kasse" zum Wohle der Angestellten geflossen.

Verdacht des "unethischen Handelns"

Schwer zu erklären ist dann allerdings, wieso die Netanjahus schuldbewusst schon vor zwei Jahren eine Pfandrückgabe an die Staatskasse überwiesen haben - allerdings nur 900 statt der jetzt errechneten 5000 Euro. Überdies musste das Büro des Premiers gerade erst einräumen, dass in den Jahren 2009/10 von den Netanjahus doppelt so viel Geld für Getränke ausgegeben wurde wie ursprünglich angegeben, nämlich fast 20 000 Euro.

Licht in die Affäre könnte am Ende ein Bericht über die Gesamtausgaben der Residenz bringen, den der Staatliche Rechnungsprüfer Josef Schapira eigentlich erst nach der Wahl vorlegen wollte. Aus aktuellem Anlass und wegen des großen öffentlichen Drucks wird die Veröffentlichung nun aber vorverlegt auf den 17. Februar. Vorab ließ Schapira bereits wissen, dass der Verdacht des "unethischen Handelns bis hin zu kriminellen Aktivitäten" bestehe.

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Quelle:
SZ vom 04.02.2015/ebri
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