Dioxin-Skandal:Hennen voller Gift

Erstmals wird in Hühnerfleisch zu viel Dioxin festgestellt - und auch Schweine sind wohl verseucht. Immer mehr Länder blockieren deutsches Fleisch und nehmen Eiprodukte aus den Regalen. Und gegen den Futtermittelhersteller werden Betrugsvorwürfe laut.

Der Dioxin-Skandal zieht immer weitere Kreise. Nicht nur Eier, sondern auch Fleisch ist offenbar verseucht - offenbar nicht nur das von Hühnern, sondern auch von Schweinen. Dennoch warnen die Behörden vor Panik.

Nach Dioxinfund Agrarbetriebe gesperrt

Erstmals wurden überhöhte Dioxin-Werte in Hennen gefunden. (Archivbild)

(Foto: dpa)

Erstmals wurden nach Informationen des Magazins Focus erhöhte Giftwerte im Fleisch von Legehennen fest. Dies gehe aus einem Bericht vom 6. Januar hervor, den die Bundesregierung am Freitag nach Brüssel geschickt habe. Demnach hätten Proben aus dem Fettgewebe dreier Tiere einen Wert von 4,99 Pikogramm Dioxin pro Gramm ergeben. Der erlaubte Höchstwert liege bei 2 Pikogramm. Aus welchem Betrieb die Hühner stammten, gehe aus dem Bericht allerdings nicht hervor. Die Länder hätten nicht öffentlich gewarnt, weil "keine unmittelbare gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Verzehr zu erwarten sei", zitiert der Focus aus dem Bericht des Bundesministeriums für Verbraucherschutz.

Doch nicht nur Hühner sind betroffen: Allein Niedersachsen rechnet wegen des Futters mit Zehntausenden dioxinbelasteten Schweinen. Das Land hat vorsorglich insgesamt 3285 Schweine-Betriebe mit einem vorläufigen Handelsverbot belegt. Agrar- Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke (CDU) erwartet, dass 95 Prozent dieser Betriebe und deren Fleisch nicht mit erhöhten Dioxin-Grenzwerten belastet seien. Allein die verbleibenden 5 Prozent entsprechen jedoch - rechnerisch - einer Zahl von 164 Betrieben.

Unterdessen kommen neue Vorwürfe gegen die Firma Harles und Jentzsch auf: Der Futterfett-Firma im Zentrum des Skandals ist nach einem Bericht des Spiegel im Sommer von staatlichen Prüfern kontrolliert worden, hat ihnen aber alarmierende Testergebnisse angeblich nicht vorgelegt. Dem Bericht zufolge bekamen Prüfer bei einem Besuch des Unternehmen Harles und Jentzsch am 28. Juli 2010 nicht die positiven Testergebnisse von Eigenkontrollen auf Dioxin zu sehen. Dabei hatten schon Untersuchungen am 19. März 1,60 Nanogramm Dioxin pro Kilo und am 21. Juni 1,40 Nanogramm pro Kilo festgestellt - deutlich mehr als der Grenzwert von 0,75 Nanogramm pro Kilo.

Ein mögliches Motiv für den Verkauf giftigen Fetts könnte Steuerhinterziehung gewesen sein. Dieser Verdacht und der des Betrugs liege nahe, sagte der Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne. Vieles spreche dafür, dass Harles und Jentzsch seine Kunden betrogen und technische Mischfettsäure als teures Futterfett verkauft habe. Für eine Tonne Industriefett habe die Firma nur 500 Euro erlösen können, für eine Tonne Futterfett aber 1000 Euro. Hier liege der Verdacht der falschen Rechnungsstellung und somit der Steuerhinterziehung nahe, sagte Hahne dem Bielefelder Westfalen-Blatt. Ohnehin ermittelt die Justiz gegen das Unternehmen wegen des Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz.

Keine akute Gesundheitsgefahr

Immer mehr Länder reagieren auf den deutschen Lebensmittelskandal: Britische Supermärkte etwa nahmen Produkte aus den Refalen, die von deutschen Dioxin-Eiern verseucht sein könnten. Die meisten der Kuchen und Törtchen, die betroffen sein könnten, seien bereits verkauft und vermutlich schon gegessen, teilte die für Ernährung zuständige Behörde Food Standards Agency (FSA) mit. Vorsorglich sollten die Geschäfte auch die wenigen Reste aus dem Verkehr ziehen.

Zuvor hatte Südkorea bereits ein Importverbot für deutsches Schweinefleisch erlassen. Am Freitag ergriff auch die Slowakei Maßnahmen und verhängte ein vorübergehendes Verkaufsverbot für Eier und Geflügelfleisch aus Deutschland.

Grund zur Panik gebe es trotz der Funde nicht, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Auf der Grundlage der bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse von Eiern und Geflügelfleisch gebe es keine akute Gesundheitsgefahr für Verbraucher "durch den einmaligen Verzehr dieser Produkte".

Viele Deutsche ziehen mittlerweile Konsequenzen aus den Dioxin-Funden. Wegen des Skandals verzichtet derzeit ein Fünftel der Deutschen auf den direkten Verzehr von Eiern. 78 Prozent essen trotz möglicher Gesundheitsrisiken weiter Eier, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der Bild am Sonntag ergab. Demnach kümmern sich ostdeutsche Bürger offenbar weniger um die Warnungen der Verbraucherschützer als westdeutsche. Nur zehn Prozent der Menschen in den neuen Bundesländern gaben an, derzeit keine Eier zu essen.

An diesem Montag will Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) Vertreter der Futtermittelbranche, der Landwirtschaftsverbände sowie führende Verbraucherschützer in Berlin treffen, um über Änderungen bei der Kontrolle von Lebensmitteln zu beraten.

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