Dioxin in Eiern:Verseuchtes Viehfutter - Hersteller räumt Fehler ein

Hühnereier sind mit Dioxin verseucht worden, weil bei der Futtermittelproduktion eine Fettsäure verwendet wurde, die eigentlich nur für Schmiermittel oder Biodiesel geeignet ist. Verbraucher und Bauern sind besorgt.

Es ist ein Skandal, dessen wahres Ausmaß noch niemand absehen kann: Futter für Hühner, Puten und Schweine ist mit Dioxin verseucht worden, weil bei der Herstellung eine ungeeignete Fettsäure verwendet wurde. Allein in Niedersachsen wurden daraufhin etwa 1000 landwirtschaftliche Betriebe gesperrt.

Nach Dioxin-Fund Agrarbetriebe gesperrt

Zwei Wochen alte Putenküken auf einem Geflügelhof im Kreis Oldenburg - nach den Dioxin-Funden in Futtermitteln sperrt Niedersachsen vorsorglich 1000 landwirtschaftliche Betriebe. Betroffen sind Legehennen-Farmen, Schweine- und Putenzüchter.

(Foto: dpa)

Der Futtermittelhersteller Harles & Jentzsch in Schleswig-Holstein habe die von einem niederländischen Unternehmen gelieferte Fettsäure zur Herstellung von Futterfett verwendet, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dem Bielefelder Westfalen-Blatt, obwohl durch die Kennzeichnung klar gewesen sei, dass die Ware nur für die technische Industrie, etwa zur Herstellung von Schmiermitteln, geeignet war.

527 Tonnen des verseuchten Futterfetts seien dann an sieben Futtermittelbetriebe in Niedersachsen, drei Futtermittelhersteller in Nordrhein-Westfalen und jeweils einen Hersteller in Hamburg und Sachsen-Anhalt gegangen. Diese Hersteller hätten Höfe unter anderem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und Brandenburg beliefert, sagte der Sprecher.

Die Behörden mehrerer Bundesländer veranlassten am Montag drastische Sofortmaßnahmen, um den Schaden für Verbraucher und Landwirtschaft einzugrenzen. Nach einer Telefonkonferenz der Ministerien mehrerer Bundesländer sperrte Niedersachsen am Montag vorsichtshalber 1000 Legehennen-Farmen, Schweine- und Putenzuchtbetriebe. In Nordrhein-Westfalen wurden 8000 Legehennen getötet, die mit Dioxin verseuchtes Futter gefressen hatten. Nach Auskunft des Kreisveterinärs Wilfried Hopp sollen die Tierkadaver einer Hühnerfarm im Kreis Soest verbrannt werden. Er rechnet damit, dass etwa 120.000 dioxinbelastete Eier des Betriebes in den Verkauf gelangt sind. "Wir bekommen noch einige tausend aus dem Handel zurück."

Das Bundesinstitut für Risikobewertung sah zunächst keine Gefahr für Verbraucher. "Eine akute Gesundheitsgefahr besteht nicht", sagte ein Sprecher. Ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärte in Berlin: "Entscheidend ist, dass verunreinigtes Futter sichergestellt wird und belastete Produkte nicht in den Handel gelangen."

Die Staatsanwaltschaft Itzehoe nahm unterdessen Ermittlungen auf. "Wir prüfen, ob eine Straftat vorliegt", sagte Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. Der Futtermittelhersteller Harles & Jentzsch im schleswig-holsteinischen Uetersen kaufte nach eigenen Angaben jahrelang Reste aus der Biodieselherstellung sowie der Nahrungsmittelindustrie auf und verarbeitete sie zu Viehfutter. "Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist", sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert dem Westfalen-Blatt.

"Beim Thema Dioxin gehen alle Alarmglocken an"

Das Unternehmen erklärte, das Dioxin stamme aus Fettsäure von einer Anlage der Biodiesel-Firma Petrotec im niedersächsischen Emden, die anschließend zu etlichen Tonnen Futtermittel verarbeitet worden sei. Die Petrotec AG erklärte, die an einen niederländischen Händler gelieferte Fettsäure sei allein zur technischen Verwendung und nicht für die Produktion von Viehfutter bestimmt gewesen.

Betrieb in Schleswig-Holstein offenbar fuer Dioxin in Eiern verantwortlich

120.000 dioxinbelastete Eier sollen in den Handel gelangt sein - "akute Gesundheitsgefahr besteht nicht", sagte ein Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung.

(Foto: dapd)

Über mögliche Konsequenzen aus der Dioxin-Verseuchung soll auch der Bundestag beraten. "Wir müssen uns damit beschäftigen", sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Hans-Michael Goldmann (FDP), den Dortmunder Ruhr Nachrichten. "Beim Thema Dioxin gehen natürlich sofort alle Alarmglocken an." Goldmann sagte, auch eine rasche Sondersitzung des Ausschusses sei denkbar, um sich ein Bild der Lage verschaffen zu können sowie über das Krisenmanagement und mögliche Konsequenzen zu beraten.

Der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) hat Konsequenzen für die Verantwortlichen der Dioxinverseuchung gefordert. Im ARD-Morgenmagazin forderte er eine rasche Reaktion auf den Dioxin-Skandal: "Das heißt, dass wir zumindest über einen Teil der Kette reden müssen, ob die Kontrollen ausreichend sind."

Das niedersächische Landwirtschaftsministerium hält dagegen die bisherigen Bestimmungen für ausreichend. Aus logistischen Gründen könne nicht jede Charge kontrolliert werden. "Aber wir müssen mehr daran arbeiten, dass jeder Teilnehmer in der Kette von der Herstellung bis zur Fütterung sich seiner Verantwortung bewusst ist", sagte der Sprecher. Wer Fett liefere, müsse sich darüber im Klaren sein, dass er auch für die Gesundheit des Verbrauchers mitverantwortlich sei.

Der Vorsitzende des niedersächsischen Landesverbandes der Geflügelwirtschaft, Wilhelm Hoffrogge, hält die Sperrung vieler landwirtschaftlicher Betriebe für "angemessen". Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte er, der Verbraucherschutz habe jetzt Vorrang. Existenzielle Nöte für die Geflügelhalter in Niedersachsen befürchtete Hoffrogge nicht: "Ich gehe davon aus, dass sich die Situation schnell bereinigen wird." In sieben bis zehn Tagen erwarte er eine Aufhebung der Sperre.

Der Deutsche Bauernverband sieht allerdings die Gefahr einer Existenzbedrohung: Die Verursacher hätten ohne Wenn und Aber für den entstandenen Schaden einzutreten, forderte der Verband. Weil die Qualitätssicherung gegriffen habe, hätten Rohwaren und Mischfuttermittel sofort gesperrt werden können. Es müsse aber verhindert werden, dass Vermarktungsverbote die Existenz von Betrieben bedrohten.

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