Kurioser Diebstahl:Die verschollenen Spitzenweine von Dijon

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„Das Schöne fassen, das Heilige“ – darum ging es dem Angeklagten laut seiner Verteidigerin. (Foto: Robert Haas)

In Frankreich ist ein Mitarbeiter großer Winzer verurteilt worden, weil er etwa 7000 gepriesene Weine nach Hause mitnahm. Vor Gericht überraschte er mit seinen Erklärungen.

Von Oliver Meiler, Paris

Er wollte doch nur einen hübschen Weinkeller haben, daheim, unter den Terrassen seines Hauses. „Das Schöne fassen, das Heilige“, sagte seine Anwältin im Prozess, und es hörte sich poetisch an.

In Dijon, dem Hauptort der schönen und hoch gepriesenen Weinregion Burgund, ist ein 57-jähriger Mitarbeiter von großen Winzerbetrieben verurteilt worden, weil er über viele Jahre hinweg nach Feierabend gute, teure und noch nicht etikettierte Flaschen einfach mit nach Hause nahm. Es seien nie mehr als zwanzig pro Woche gewesen, sagte er im Prozess, und gestohlen habe er nie während intensiver Arbeitszeiten, das schien ihm als Detail dann doch erwähnenswert zu sein.

So kamen etwa 7000 Flaschen zusammen – für einen geschätzten Wert von mehr als 600 000 Euro. Das macht aus diesem Fall einen der größten Diebstähle in der nicht gerade armen Geschichte französischer Weindiebstähle. Und einen sehr speziellen noch dazu. 

Aufgeflogen ist der diskrete Mann, der in seiner Funktion als Wartungstechniker als Modellmitarbeiter galt, im vergangenen Februar. Seinem letzten Arbeitgeber war aufgefallen, dass die Zahlen der Flaschenbestände nie aufgingen, den Paletten sah man aber nichts an. Sie montierten Überwachungskameras im Betrieb, dann ging es ganz schnell.

Als die Polizei vorfuhr, versteckte sich der Mann in seiner Verzweiflung im Gärraum, das war kein sonderlich gutes Versteck. Dann führte er die Beamten zu sich nach Hause. Etwa 3000 Flaschen lagerten unter einer Terrasse vor dem Haus, noch mal 3000 unter einer Terrasse hinter dem Haus und tausend weitere im Keller seiner Mutter. „Diese Flaschen auf dem hellen Kies, das sah so schön aus“, sagte er im Gericht, „das half mir gegen meine Depression.“ 

Machte der Angeklagte ein Geschäft mit den Flaschen?

Niemand soll davon gewusst haben, nicht einmal seine Frau und Kinder, einen geheimen Schatz hat er angelegt. Selbst getrunken habe er davon aber nichts, damit die Sammlung komplett blieb. Und wenn er sich jeweils mit seinen Jagdfreunden zum Trinken traf, holte er nicht etwa eine Flasche aus dem Keller, sondern er kaufte Wein im Laden. „Sein Leben“, sagte seine Anwältin, „das ist der Garten, die Jagd, das Holzhacken für die Heizung des Hauses, der Wein.“

Im Prozess fragte man sich natürlich, was das genau war, was er da trieb. War es zwanghafte Kleptomanie, wie die Verteidigung plädierte – begünstigt durch den Badge, der ihm alle Türen öffnete? Oder betrieb er nicht vielleicht doch ein Geschäft?

Der Staatsanwalt erzählte im Prozess, man habe im kleinen Steinhaus des Mannes „mehrere Hundert Euro“ gefunden, hinter einer Trennwand lagen 1500 Euro. „Das ist der Beweis, dass Sie Wein unter der Hand verkauften“, sagte er zu dem Angeklagten. Denn auch ohne Etikett sei das kein „piquette“ gewesen, das ist das französische Wort für Billigwein. 

Das Gericht folgte der Argumentation des Staatsanwalts und verurteilte den Mann zu einem Jahr auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 10 000 Euro. Von einigen Tausend Flaschen konnte die Herkunft leicht festgestellt werden, sie wurden den bestohlenen Winzern zurückgegeben, unbeschadet, sie waren gut gelagert. Der ganze Rest wurde konfisziert – was wohl daraus wird?

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