Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Den eigenen Traktor zu zeigen, macht Bauern einfach stolz"

Traktorkonzert statt Autokino: Mit dieser Idee fand die fränkische Band "Die Dorfrocker" ihre Nische in der Pandemie. Nun ist die Gruppe vor 3000 brasilianischen Bauern aufgetreten.

Interview von Marcel Laskus

Bayern und Brasilien scheinen kulturell nicht unbedingt auf einer Wellenlänge zu liegen. Aber die Musiker der fränkischen Partyband "Die Dorfrocker", die drei Brüder Markus, Philipp und Tobias Thomann, haben sich bei ihren Auftritten in Entre Rios im südbrasilianischen Bundesstaat Paraná vor 3000 Fans, die mit dem Traktor gekommen sind, fast wie zu Hause gefühlt. Markus Thomann erzählt, wie es dazu kam.

SZ: Herr Thomann, mit Ihrer Party-Rockband "Die Dorfrocker", in der Sie das Akkordeon spielen, geben Sie seit einem Jahr Konzerte vor Bauern, die auf Traktoren sitzen. Warum?

Markus Thomann: Die Idee ist aus der Not heraus geboren. Durch Corona wurden unsere normalen Konzerte abgesagt, also haben wir überlegt: Wie bekommen wir es trotzdem hin? Damals waren Autokinos explizit erlaubt, und so haben wir aus dem Autokino eben ein Traktorkino gemacht, oder besser gesagt: ein Traktor-Konzert. Das passte ideal zu unserer kurz vorher erschienenen Single mit dem Titel "Der King auf dem Bulldogsitz". Die Idee kam so gut an, dass wir 2021 mehr als hundert solcher Konzerte geben konnten. Irgendwann gab es Anfragen aus dem Ausland, darunter Brasilien.

Bis vor wenigen Tagen waren Sie in Entre Rios in Südbrasilien unterwegs, um dort vor 3000 Traktorfahrern Konzerte zu geben. Was hat Brasilien mit Ihrer Heimat zu tun?

Das Konzert dort sollte das unvergessene i-Tüpfelchen unserer großen Traktor-Tour werden, was wir nun hiermit geschafft haben. In der Gegend leben viele in den 1950er Jahren aus Deutschland ausgewanderte Donauschwaben. Noch heute wird dort deshalb viel Deutsch gesprochen. Im Übrigen erinnert die Landschaft sehr an unsere fränkische Heimat. Die Felder, die Wiesen, die Wälder. Die Region ist sehr landwirtschaftlich geprägt. Es gibt in der Gegend eine große Agrargenossenschaft. Der eine Bauer liefert den Mais, der nächste die Kartoffeln. Wie in Deutschland. Da ist gleich ein Anknüpfungspunkt da. Die Menschen haben in uns erkannt, was sie selbst schon kennen.

Aber Ihre Songs sind nach dem Vogelbeerbaum oder der Arbeitsbekleidungsmarke Engelbert Strauss benannt. Nach sehr deutschen Dingen also.

Letzten Endes ist es so: Ein Lied besteht aus Musik und aus Text. Wir haben in Brasilien nur Stimmungslieder, also Up-Tempo-Nummern gespielt, die zum Tanzen anregen. Das hat super geklappt. Und Sie werden lachen: Lieder wie "Dorfkind" oder "Der King" waren dort bereits bekannt. Da haben die Leute mitgesungen, erst recht bei der Zeile: "Ich bin ein Dorfkind, darauf bin ich stolz." Sie passt einfach wie die Faust aufs Auge, weil auch in Südbrasilien viele Menschen auf dem Dorf leben. Es gab sogar einen Rekordversuch für das Guinnessbuch, die längste Traktor-Polonaise der Welt, inspiriert von uns. Die nötige Zahl der Traktoren wurde erreicht, es gab nur ein paar formelle Probleme, deshalb hat es für einen Eintrag leider nicht gereicht.

Vielleicht können Sie es den Schreibtisch-Arbeitern unter unseren Lesern einmal erklären: Warum will jemand nach Feierabend noch auf seinem Arbeitsgerät sitzen, um sich darauf ein Konzert anzuhören?

Bei den Landwirten ist das anders. Den eigenen Traktor zu zeigen, macht Bauern einfach stolz. Sie putzen ihn, wenn sie zu unseren Konzerten kommen, und sie sind froh, wenn sie sich mit anderen Landwirten darüber austauschen können. Das würde es natürlich nicht geben, wenn man die Bauern einfach ohne ein Fahrzeug auf eine Konzertfläche stellen würde. Steht der Traktor aber neben ihnen, können sie genau zeigen, was sie meinen, wenn sie davon erzählen.

Wie unterscheidet sich der deutsche vom brasilianischen Traktor?

Es gibt gar nicht so große Unterschiede. An einem Tag gab es eine Oldtimer-Traktor-Parade, da waren auch lauter europäische Traktormodelle dabei. Wenn man diese Traktoren in den Hunsrück oder in den Bayerischen Wald stellen würde, würden sie wohl kaum als exotische Maschinen auffallen.

Und wie ticken die Fahrer?

In Deutschland gibt es Regionen, da stehen die Leute bei unseren Konzerten nach dem ersten Lied auf dem Tisch. In anderen Ecken braucht es zwei, drei Lieder. In Brasilien ging es schon nach wenigen Tönen los. Es gab sogar Gäste, die kamen in Dirndln und Lederhosen. Musik ist völkerverbindend.

In Deutschland denken viele beim Thema Ernährung eher an Lidl oder Edeka als an Bauern. Werden Landwirte in Brasilien mehr geschätzt?

In der Gegend, in der wir aufgetreten sind, auf jeden Fall. Das Thema Landwirtschaft spielt dort eine große Rolle, jeder Zweite arbeitet in der Branche. Da ist eine andere Wertschätzung. Deutschland ist viel dichter besiedelt und dadurch weniger ländlich geprägt. Die Zeiten, in denen fast jeder mit der Landwirtschaft zu tun hat, sind in Deutschland eben lange vorbei.

Das klingt paradiesisch für jemanden wie Sie. Schon mal überlegt umzusiedeln?

Wir sind Dorfkinder aus Franken, wohnen alle hier und haben hier Eltern, Familie und so weiter. Durch unser Dasein als Musiker haben wir viele Regionen erleben und Menschen und Kulturen kennenlernen dürfen. Aber deshalb gleich anderswo hinziehen? Wir machen Musik, um Leute zu begeistern, nicht um einen neuen Ort zum Wohnen zu finden.

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