Die Adventsfrage (4):Warum nicht: "Wie grün sind deine Nadeln?"

Illustration: Steffen Mackert (Foto: N/A)

Das erklärt der Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Uni Freiburg.

Protokoll: Nadeschda Scharfenberg

Dr. Dr. Michael Fischer, 51, geschäftsführender Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg:

"Botanisch gesehen sind Nadeln Blätter, nur eben mit einer sehr kleinen Blattfläche. Als das Lied ,O Tannenbaum' um 1820 entstanden ist, war der Begriff ,Blätter' für Nadeln zwar schon etwas altbacken, aber durchaus noch gebräuchlich, wie man in alten Lexika nachlesen kann. Im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm heißt es zum Beispiel über die Tanne: ,allezeit seind ihre bletter grün'. Das Lied war übrigens ursprünglich gar kein Weihnachtslied, sondern ein Liebeslied, der Text stammt von August Zarnack, dem Direktor des Potsdamer Militärwaisenhauses. Der immergrüne Tannenbaum symbolisiert in der ersten Strophe ewige Treue, in drei weiteren Strophen wird dann im Gegensatz dazu eine flatterhafte junge Dame beschrieben: ,O Mädelein, o Mädelein, wie falsch ist Dein Gemüthe.' Der Leipziger Lehrer Ernst Anschütz formte ,O Tannenbaum' 1824 zum Weihnachtslied um. Die erste Strophe ist identisch; es gibt zwei Textvarianten, in der ursprünglichen heißt es: ,wie treu sind deine Blätter', im 20. Jahrhundert hat sich dann langsam ,wie grün sind deine Blätter' eingebürgert. Dazu dichtete Anschütz zwei neue Strophen, die heute aber kaum jemand kennt - im Gegensatz zu Verballhornungen wie ,O Tannenbaum, o Tannenbaum, die Oma sitzt im Kofferraum'."

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© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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