Dialog der Kulturen:Kein Kopftuch für die Königin

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Im kommenden Jahr findet die Schach-Weltmeisterschaft der Frauen in Teheran statt - mit Verhüllungszwang. Nun ruft eine Teilnehmerin zum Boykott auf.

Von Christoph Dorner

Die Emotionen kochen hoch. Für sie sei es "völlig inakzeptabel", eines der wichtigsten Frauenturniere an einem Ort abzuhalten, an dem Frauen wie "Zweite-Klasse-Bürger" behandelt würden, sagt Nazi Paikidze-Barnes, 22, US-Schachmeisterin. Im kommenden Jahr werde sie daher wohl nicht zur Weltmeisterschaft der Schachspielerinnen nach Iran reisen. In einem Land, in dem Frauenrechte derart harsch eingeschränkt seien, werde sie keinen Hidschab tragen, um damit "Unterdrückung zu fördern". Mit einer Online-Petition ruft die aus Georgien stammende und in Las Vegas wohnende Wirtschaftsinformatikstudentin den Weltschachbund (Fide) jetzt dazu auf, die WM entweder in ein anderes Land zu verlegen - oder es den 64 Teilnehmerinnen aus aller Welt zu ermöglichen, auf eine Kopfbedeckung zu verzichten.

"Es geht mir nicht um Religion, sondern um Gesetze, die meine Rechte als Frau beschneiden."

Was war passiert? Vor wenigen Wochen hatte sich der Weltschachbund zur 42. Schacholympiade in Baku getroffen. Bei der Vollversammlung des Verbands am Rande des Turniers wurden ein paar wesentliche Dinge entschieden: Oman, Eritrea und Nauru wurden als Mitgliedsstaaten aufgenommen. Die Senioren-WM 2018 geht nach Radebeul bei Dresden - und, Beschluss Nummer 31: die Weltmeisterschaft der Frauen im Februar 2017 findet in Iran statt.

Iran ist seit vielen Jahrhunderten ein schachbegeistertes Land. Kein Wunder: Über Persien und die Araber wurde das Spiel einst in der ganzen Welt bekannt. Allein in den 1980ern war das öffentliche Brettspiel in Iran verboten, weil aus Sicht der islamischen Religionswächter zu oft um Geld gespielt wurde. Doch das Verbot machte Schach nur noch populärer. Einwände gegen die Entscheidung für Iran habe es in Baku nicht gegeben, erklärte dieser Tage Herbert Bastian, Präsident des Deutschen Schachbundes. Man habe ja über mehr als 100 Tagesordnungspunkte abstimmen müssen. Doch nun, so wird befürchtet, könnten Nazi Paikidze-Barnes empörte Äußerungen in Interviews und auf Twitter ("Es geht mir nicht um Religion, sondern um Gesetze, die meine Rechte als Frau beschneiden") immer mehr Teilnehmerinnen umstimmen. Seit der Islamischen Revolution 1979 ist das Tragen von Kopftüchern in der Öffentlichkeit für alle Frauen im Land Pflicht.

Die Kommission für Frauenschach im Weltverband hat die Spielerinnen nun dazu aufgerufen, "kulturelle Differenzen zu respektieren". Doch nicht nur die frühere Schachmeisterin Carla Heredia aus Ecuador meint: "Keine Institution, keine Regierung und auch keine Weltmeisterschaft im Schach sollte Frauen zwingen, ein Kopftuch zu tragen." Jetzt aber haben, das ist die andere Seite, iranische Schachspielerinnen im britischen Guardian ihre Kolleginnen zur Teilnahme aufgefordert. "Die Spiele sind wichtig für die Frauen in Iran. Sie geben uns eine Gelegenheit, unsere Stärke zu zeigen", argumentierte Großmeisterin Mitra Hejazipour, 23. Bei der Frauen-Schachweltmeisterschaft handele es sich um das größte sportliche Ereignis in der Geschichte Irans. Was tun?

Obwohl sich das Land in den vergangenen Jahren für westliche Touristen und Unternehmen geöffnet hat, wird die Einhaltung einer islamischen Kleiderordnung von Justiz und Religionspolizei streng überwacht. Frauen ohne Kopftuch droht eine Geld- oder Haftstrafe. Allein im Jahr 2014 wurden 3,6 Millionen Iranerinnen belangt, weil Haare und Nacken nicht ausreichend mit dem Hidschab bedeckt waren.

Der Weltschachbund, der auch vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt ist, lehnt in seinen Statuten jegliche Form der Diskriminierung explizit ab. Auch der Deutsche Schachbund verweist in seiner Satzung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. War die Vergabe also ein Fehler? Susan Polgar von der Kommission für Frauenschach argumentiert so: "Wenn ich fremde Kulturen besuche, zeige ich meinen Respekt, indem ich mich in der Tradition des Landes anziehe. Niemand zwingt mich dazu." Bei einem anderen Turnier in Iran hätten die Organisatoren den Spielerinnen kürzlich "eine schöne Auswahl" an Kopfbedeckungen zur Verfügung gestellt, weiß sie. Tatsächlich hatten die indischen Spielerinnen Humpy Koneru und Harika Dronavalli berichtet, es sei zwar nicht sehr komfortabel, mit Kopftuch zu spielen, aber der Respekt vor der anderen Kultur erfordere es.

Dem Präsidenten des Deutschen Schachbundes ist die ganze Aufregung jedenfalls eher unangenehm. "Es ist letztlich eine persönliche Entscheidung jeder Teilnehmerin, ob sie sich diesen Regelungen unterwirft", sagt Herbert Bastian. Sein Sport wolle doch nur den Dialog fördern.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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