Deutsche Helfer auf dem Weg nach Haiti:Proteinkekse gegen die Not

Deutsche Helfer machen sich auf den Weg nach Haiti. Ihr Auftrag: Trinkwasser aufbereiten, sich einen Überblick verschaffen. Das Rote Kreuz spricht inzwischen von bis zu 50.000 Toten.

Christiane Wild und Oliver Das Gupta

Rund 8000 Kilometer liegen zwischen dem Karibikstaat Haiti und Deutschland - eine große Distanz, die die ersten Helfer aus Deutschland derzeit zurücklegen.

Deutsche Helfer auf dem Weg nach Haiti: Ein Mitarbeiter versieht im Logistikzentrum des Roten Kreuzes in Berlin Kisten mit Spendenaufklebern. Insgesamt wird die Hilfsorganisation voraussichtlich mehrere Wochen in Haiti im Einsatz sein.

Ein Mitarbeiter versieht im Logistikzentrum des Roten Kreuzes in Berlin Kisten mit Spendenaufklebern. Insgesamt wird die Hilfsorganisation voraussichtlich mehrere Wochen in Haiti im Einsatz sein.

(Foto: Foto: dpa)

Keine 24 Stunden nach dem verheerenden Erdbeben war bereits ein vierköpfiges Vorauskommando des Technischen Hilfswerks (THW) aufgebrochen in die Unglücksregion. "Nach ihrer Ankunft werden sich die Ingenieure ein Bild von der Lage" machen, sagt THW-Sprecher Oliver Hochedez zu sueddeutsche.de.

Berliner Hebammen für Port-au-Prince

Am Donnerstagmorgen wurden zwei Trinkwasseraufbereitungsanlagen am Flughafen Frankfurt-Hahn verladen. Begleitet von zehn Mitarbeitern des THW soll die Chartermaschine über mehrere Stationen nach Santo Domingo in der Dominikanischen Republik und dann schließlich nach Port-au-Prince fliegen.

Jede der Anlagen kann in der Stunde nach Angaben Hochedez 6000 Liter Trinkwasser aufbereiten und damit bis zu 30.000 Menschen versorgen. Zudem haben die Spezialisten noch Trinkwasserlabore im Gepäck.

Die Zeit drängt: "Als Faustregel für Überlebenschancen von Verschütteten gilt 72 Stunden plus X", sagt Hochedez. Dringend sei jetzt die Rettung der Verletzten sowie die Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln. Das Technische Hilfswerk wird sich vor allem um die Instandsetzung der Infrastruktur kümmern sowie um die die Wiederherstellung der Stromversorgung.

Zehntausende haben bei der Erdbeben-Katastrophe ihr Leben verloren. Noch immer steht eine genaue Zahl nicht fest. Das Rote Kreuz meldete am Donnerstagabend, dass bis zu 50.000 Menschen gestorben sein könnten. Der Premierminister des Karibikstaates befürchtet indes mehr als 100.000 Tote.

Im Video: Nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti rufen Hilfsorganisationen in Deutschland zu Spenden auf. Das DRK wird zuerst ein Expertenteam in die Katastrophenregion schicken, um die weitere Hilfe zu koordinieren. Weitere Videos finden Sie hier

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) entsendet an diesem Freitag eine mobile Gesundheitsstation in das Katastrophengebiet in Haiti. Vom logistischen Zentrum der Organisation in Berlin-Schöneberg fliegt ein Team aus sechs Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen in die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince.

In der Station können am Tag bis zu 250 eher leichtverletzte Menschen mit Knochenbrüchen und Wunden ambulant versorgt werden. "Die Station verfügt über eine eigene Strom- und Wasserversorgung und ist damit unabhängig von den Verhältnissen im Katastrophengebiet", sagt Sylvia Koch vom DRK zu sueddeutsche.de.

Die Zusammenarbeit mit dem spanischen und dem kanadischen Roten Kreuz sei vor Ort schon angelaufen, Nachbarländer wie die Dominikanische Republik, Kuba und die USA unterstützen Haiti mit Hilfsgütern. "Je näher die Helfer dem Katastrophengebiet sind, desto besser", beschreibt Koch das Prinzip der Soforthilfe. Rund 10.000 freiwillige Helfer seien im Katastrophengebiet zurzeit im Einsatz.

Zerstörte Kliniken, kein Strom

Auch der Malteser Hilfsdienst schickte an diesem Donnerstag ein erstes Team in die Krisenregion. "Wir werden die Lage vor Ort erst einmal erkunden", sagt Klaus Runggaldier unmittelbar vor dem Abflug zu sueddeutsche.de. Der Professor für Medizinpädagogik gehört zu dem vierköpfigen medizinischen Team. Vor Ort sei bislang vieles unklar, außer: "Es scheint sehr schlimm zu sein".

Proteinkekse für die leidende Bevölkerung

Andere Hilfsorganisationen sind bereits im Land tätig. Care etwa hat zwei Lager in Haiti: "Wir verteilen nun Proteinkekse", sagt Hauke Hoops, der bei der Koordinierung hilft.

Auch die "Ärzte ohne Grenzen" sind bereits vor Ort. In Notzelten behandeln sie Hunderte von Verletzten in der Hauptstadt Haitis, weil das dortige Gesundheitszentrum der Organisation ebenso wie andere Krankenhäuser bei dem Beben zerstört worden sei, sagte Claudia Evers, von Ärzte ohne Grenzen am Donnerstag in Berlin. Mitarbeiter der Organisation berichteten von chaotischen Zuständen in der zerstörten Stadt.

Am Donnerstag startete die erste deutsche Ärztin zusammen mit 18 europäischen Kollegen in Richtung Port-au-Prince, um das Team vor Ort zu unterstützen. "Wir planen, in den nächsten Tagen 70 weitere Ärzte, Krankenschwestern und Logistiker aus aller Welt nach Haiti zu schicken", so Evers.

Die Bundesregierung hat bislang 1,5 Millionen Euro für humanitäre Soforthilfe zur Verfügung gestellt. "Das ist eine erste Maßnahme", sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes zu sueddeutsche.de und weist darauf hin, Außenminister Guido Westerwelle habe ein "weiteres Engagement in Aussicht gestellt".

Auch aus dem Entwicklungshilfeministerium von Westerwelles FDP-Parteifreund Dirk Niebel zeigt man sich offen für weitere Hilfen. Allerdings werde der Minister erst noch von seiner Afrika-Reise zurückkehren, sagt ein Sprecher zu sueddeutsche.de.

Die Devise der Regierung lautet: Erst mal abwarten, wie die Lage ist. Denn die ist bislang unklar.

Das liegt vor allem an den nach wie vor gestörten Kommunikationskanälen nach Haiti: Das Telefonnetz ist zusammengebrochen, Strom gibt es nur vereinzelt, manchmal gibt es Nachrichten via Internet.

Deshalb ist bislang auch noch unklar, wie es den einheimischen Mitarbeitern der Hilfsorganisationen ergangen ist. Claudia Evers von den Ärzte-ohne-Grenzen etwa sagt, dass die 31 deutschen Helfer in Haiti haben das Unglück gut überstanden, ungewiss ist jedoch, ob alle 800 ortsansässigen Helfern das Beben überstanden haben. "Wegen der schlechten Kommunikationslage konnten wir noch nicht mit allen Kontakt aufnehmen", sagt Evers.

Einige der deutschen Helfer machen sich auf dem Landweg aus der Dominikanischen Republik in die Katastrophenregion auf. Alle rechnen mit einem langen Einsatz. Rot-Kreuz-Sprecherin Koch spricht von mehreren Wochen.

Koch selbst hat Haiti erst im Dezember besucht, um sich dort über Projekte zur Katastrophenhilfe zu informieren. Das Hotel, in dem sie damals untergebracht war, gibt es heute nicht mehr.

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