Deutsche Burschenschaften:Junge Leute, "dumm wie Stroh"

Deutsche Burschenschaft

Etliche Mitglieder kehren der Deutschen Burschenschft den Rücken.

(Foto: dpa)

Nicht deutsch genug? Die "Arier"-Debatte um den chinesischstämmigen Burschenschafter Kai Ming Au bereitet den Studentenbünden Probleme. Immer mehr Korporierte treten aus den konservativen Vereinigungen aus - nicht zuletzt wegen der rassistischen Haltung mancher Mitglieder.

Von Charlotte Theile

Es ist wohl nicht übertrieben, Friedrich Engelke einen eingefleischten Burschenschafter zu nennen. Der Hamburger Rechtsanwalt ist seit 1969 korporiert, auch als "Alter Herr" begeistert er sich für die Deutsche Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts, studentisches Liedgut und Männergeselligkeit. Begriffe wie Vaterland und Ehrerbietung gehen ihm leicht über die Lippen. Im Herbst hat Engelke Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen gepfefferten Brief geschrieben: Er fühle sich in dessen Hauptstadt Stuttgart nicht sicher. Als besuchender Bursch müsse man Angst haben, beleidigt oder gar verprügelt zu werden.

Der Anlass für Engelkes Brief war ein außerordentlicher "Burschentag" - so heißen die Zusammenkünfte des Dachverbandes Deutsche Burschenschaft (DB) - in Stuttgart. Dort gab es Ärger. Allerdings anders, als der Alte Herr aus Hamburg gedacht hatte. Kurz darauf schrieb er Kretschmann einen zweiten Brief. "Ich schäme mich für das, was in Stuttgart geschehen ist", sagt er nun. Polizeibeamte hätten bei der Veranstaltung "Personen die freie Rede ermöglicht, die ihren Hass auf den Rechtsstaat, auf unsere Verfassung regelrecht rausgekotzt haben". Engelke meinte in seinem zweiten Brief allerdings keine Kritiker von außen - sondern Burschen. Junge Leute, "dumm wie Stroh", würden in der DB neuerdings den Ton angeben: "Nazis!" Deutlicher geht's nicht.

Engelke ist nicht der einzige Burschenschafter, der wütend ist. Von den angeblich rund 15.000 jungen und alten Mitgliedern in mehr als 120 Bünden, die nach offizieller Auskunft die Deutsche Burschenschaft bilden, sind etliche entweder auf dem Absprung oder haben dem Verband bereits den Rücken gekehrt. Allein im Dezember verlor die DB zehn größere Bünde, teilte Pressesprecher Walter Tributsch auf Nachfrage mit.

Engelkes Obotritia Rostock gehört dazu, die Hilaritas Stuttgart und die Hansea Mannheim. Letztere hat allein etwa 140 Mitglieder. Eines davon ist Kai Ming Au, 28, Wirtschaftsstudent. Seine Eltern stammen aus Hongkong. Er ist zurzeit vermutlich der bekannteste Burschenschafter des Landes. Glücklich ist er darüber nicht. Aber der Reihe nach.

Wir wollen keine Fremden bei uns

"In Zeiten fortschreitender Überfremdung" sei es "nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht von deutschem Stamm sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden" - so hieß es 2011 in einem Antrag der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks aus Bonn, der sich an die DB richtete. Übersetzt: Wir wollen keine Fremden bei uns, und damit meinen wir auch alle, die fremd aussehen. Wer gemeint war, wussten alle: Kai Ming Au.

Wen ein Bund aufnehme, sei seit dem Burschentag in Stuttgart dessen eigene Sache, erklärt Verbandssprecher Tributsch; die DB mische sich nicht ein. Doch 2013 soll erneut über ethnische Zugehörigkeit beraten werden. Und die Feindseligkeit gegen den asiatisch aussehenden Deutschen blieb, nachdem die Raczeks den Antrag zurückgezogen hatten. Beim Burschentag 2011 in Eisenach hätten ihm viele Mitglieder demonstrativ den Rücken zugewandt, hört man. Au bestätigt das. Auf die Frage, wie er die Stimmung dort empfunden habe, schweigt er vielsagend. "Ich wusste, ich habe einige wenige Gegner dort," sagt er dann. "Trotzdem bin ich hingefahren, meine Bundesbrüder hielten ja zu mir. Diese anderen Leute kennen mich gar nicht. Verletzt hat mich das also nicht."

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