Süddeutsche Zeitung

Der Modeschöpfer wird 70:Drei Worte Französisch: Yves, Saint, Laurent

"Er entwirft Kleidung für Frauen mit einem Doppelleben": zum 70. Geburtstag des Couturiers, der sich vor vier Jahren aus dem Modezirkus zurückgezogen hat.

Tanja Rest

Der König, dessen goldenes Wappen mit den verschlungenen drei Lettern die Welt erobert hatte, saß in einem damastenen Louis-Quinze-Sessel, er schaute durch die Eulenbrille mit diesem Blick, der der Schriftstellerin Marguerite Duras "unerträglich von Sanftheit" erschienen war, und sprach mit leiser Stimme zu seinem Volk, das live zusah: "Ich habe mit Ängsten gerungen, und ich bin durch die Hölle gegangen. Der Kampf um Schönheit hat mich leiden lassen."

Es war der 7. Januar 2002, und der König trat ab. Aber wie er es tat. Es war, ein letztes Mal, alles da: Eleganz und Elegie, Glamour und Abgrund, Größenwahn und Minderwertigkeitskomplex. Als sein Geschäfts- und Lebenspartner Pierre Bergé hinterher verkündete, mit diesem Rücktritt werde die Haute Couture untergehen, da fühlte es sich, zumindest einen Moment lang, wie die Wahrheit an.

Die Mode, das ewige Stehaufgeschöpf, hat überlebt. Aber alles, was seither über Yves Saint Laurent gesagt oder geschrieben wurde, hat sich immer wie ein Nachruf angehört. Wie ein Requiem auf eine lebende Leiche. Er wohne in der Pariser Rue de Babylone in der Gesellschaft seiner Gemälde von Goya, Picasso und Matisse. Er rauche täglich zwei Schachteln nikotinfreie Kräuterzigaretten. Er gehe eigentlich nur noch auf die Straße, um seine französische Bulldogge spazieren zu führen, die wie alle ihre Vorgängerinnen Moujik heißt. "Er langweilt sich zu Tode", sagte Pierre Bergé vor einiger Zeit zu Le Monde.

Dem Ruhm nichts mehr hinzufügen

Vielleicht weiß Yves Saint Laurent auch einfach - so, wie Marlene Dietrich das gewusst hat -, dass man zwar vom Beruf, nicht aber vom Ruhm zurücktreten kann, und dass man den Ruhm am besten dadurch mehrt, indem man ihm nichts mehr hinzufügt.

Der erste Adelstitel, den das modebesessene Frankreich dem Sohn aus reichem algerischen Elternhaus verlieh, war noch einigermaßen überschaubar, wenn auch schon voller Anbetung: Petit Prince. 1955 war er nach Paris gekommen, um an einem Wettbewerb des Verbandes der Wollstoffhersteller teilzunehmen. Er gewann, gemeinsam mit einem jungen Hamburger namens Karl Lagerfeld. Christian Dior engagierte ihn sofort, nach dessen tödlichem Herzanfall 1957 wurde Yves Saint Laurent sein Nachfolger. Er war 21 Jahre alt, der jüngste Couturier der Welt.

Seine erste Kollektion für Dior, im Zentrum die berühmte "Trapezlinie", war ein solcher Ausbund an Kühnheit und radikaler Moderne, dass die Modewelt entgeistert nach Luft schnappte. Dann applaudierte sie - und hörte vierzig Jahre lang nicht mehr auf.

Es war, als könne dieser Yves Saint Laurent nichts falsch machen. Für seine eigene Linie YSL entwarf er Trenchcoats, transparente Blusen und Kleider mit den Motiven von Mondrian und Braque, alles noch nie dagewesen, alles elegant und aufregend zugleich. Er erfand den Damen-Smoking, die Military-Jacke, den Kegelbüstenhalter - lange bevor Madonna im Gaultier-Bustier auf Tour ging. Sein Prinzip, so hieß es, sei das, keines zu haben. Das klingt einleuchtend, ist aber nicht ganz richtig.

Partys, Exzesse und Drogen

Yves Saint Laurents oberste Prinzipien hießen Verzauberung und Tragbarkeit, und sein Verdienst war es, beide zusammenzubringen. Man kann sagen, er diente den Frauen, ohne sich ihrer zu bedienen. Und sie dankten es ihm. "Er entwirft Mode für Frauen mit einem Doppelleben", sagte Cathérine Deneuve. "Tagsüber hilft er uns, in einer Welt voller unbekannter Menschen zu bestehen. Am Abend verleiht er uns verführerischen Charme." Lady Di beteuerte, sie spreche nur drei Worte französisch: Yves, Saint und Laurent.

Der Mann hinter der Marke bemühte sich derweil, seine lodernde Angst in den Griff zu bekommen. Er tat das mit Hilfe von Partys, schwindelerregenden Exzessen und allen Drogen, die er in die Finger kriegen konnte. Im März 1977 meldeten die Zeitungen seinen Tod. Dennoch wird Yves Saint Laurent an diesem 1. August 70 Jahre alt. Man wünscht ihm, dass er um seine lebenslange Geliebte, die Schönheit, nicht mehr kämpfen muss - sondern sie endlich auch genießen kann.

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Quelle:
SZ vom 1.8.2006
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