Flugzeugabsturz in Frankreich:Schlag in schweren Zeiten

Spohr, Lufthansa Chief Executive, makes a statement at the Frankfurt airport

Ein sichtlich mitgenommener Carsten Spohr, Chef der Lufthansa, bei der Pressekonferenz.

(Foto: REUTERS)
  • Die letzten Toten bei einem Lufthansa-Unfall waren vor 22 Jahren zu beklagen. Das Unglück rückt den jüngsten Schlagabtausch zwischen Lufthansa und der Pilotenvereinigung Cockpit in den Hintergrund.
  • Doch die konzerninterne Billigkonkurrenz, zu der auch Germanwings zählt, ist eigentlich einer der Hauptgründe, warum die Piloten streiken.
  • Germanwings wird wohl - unabhängig vom jüngsten Absturz - als Marke verschwinden. Als Ersatz soll eine weitere Kozerntochter, nämlich Eurowings, dienen.

Von Jens Flottau

Gerade noch haben sich alle furchtbar aufgeregt über die Piloten und die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit, die sich so gar nicht einsichtig gibt. Wo doch jedem klar sein müsste, dass jetzt alle zusammenhalten und sparen müssen. Der viertägige Pilotenstreik war das Thema im Konzern, die Nerven lagen bei allen Beteiligten blank, es gab wüste Beschimpfungen und Hassmails. Ein Konzern in der Krise. Das war die Situation bei der Lufthansa bis Dienstagmorgen.

Dann kam die Nachricht vom Absturz von Flug 4U9525 der Konzerntochter Germanwings - das mit weitem Abstand Schlimmste, was einer Fluggesellschaft passieren kann. Alle 150 Menschen an Bord sind dabei ums Leben gekommen. Von einem Moment auf den anderen wirken die bitteren Kämpfe der vergangenen Tage um Privilegien und Tarifverträge so klein. Lufthansa steckt nun nicht mehr nur in der Sinnkrise, sondern steht unter Schock.

Der Dienstag sei "ein schwarzer Tag" für Lufthansa, sagte ein tief getroffener Konzernchef Carsten Spohr. Der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende hat selbst einst seine berufliche Laufbahn als Pilot begonnen und hat immer noch die Lizenz für den Airbus A320. Germanwings-Chef Thomas Winkelmann ist normalerweise ein fröhlicher, hemdsärmliger Typ, der wie erfunden zu sein scheint für die Rolle an der Spitze eines sich unkonventionell gebenden Unternehmens. Am Dienstag trat er in schwarzem Anzug und mit schwarzer Krawatte vor die Kameras und bemühte sich sichtlich um Fassung.

Der Absturz des A320 konfrontiert die Lufthansa und ihre Mitarbeiter nach einer langen Zeit ohne Unfälle mit der Tatsache, dass sie trotz aller Fortschritte in der Sicherheit immer noch in einem Risikogeschäft tätig sind. Die letzten Toten bei einem Lufthansa-Unfall waren vor 22 Jahren zu beklagen. Damals, im Jahr 1993, rutschte ebenfalls ein Airbus A320 in Warschau über die Landebahn hinaus - zwei Menschen starben. Seither gab es kleinere Zwischenfälle, ein Lufthansa Cargo-Jet wurde zerstört, aber die Piloten kamen glimpflich davon.

Spekulationen über den Zusammenhang zwischen billig und unsicher

Der Absturz der Germanwings-Maschine ist der erste einer europäischen Billigfluggesellschaft. Es wird nicht lange dauern und irgendjemand wird über einen Zusammenhang zwischen billig und unsicher spekulieren, auch wenn es dafür keine Anhaltspunkte gibt. Und noch ist so gut wie nichts über die Ursachen des Germanwings-Unglücks bekannt. Es wird vermutlich Wochen oder Monate dauern, bis gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Zur Trauer kommt deswegen die Unsicherheit darüber, was zu der Katastrophe geführt hat.

Die Unglücksmaschine der Germanwings mit der Registrierung D-AIPX war im Konzern seit 24 Jahren im Einsatz, erst bei Lufthansa, dann von 2003 an bei dem damals neuen Billigableger und von 2004 an weitere zehn Jahre beim Mutterkonzern. Erst 2014 wurde sie wieder zu Germanwings verschoben. So wechselvoll wie die Geschichte des Jets war in dieser Zeit auch die Geschichte des Konzerns.

1991 steckte der Konzern schon einmal in einer großen Krise und machte horrende Verluste. Der damals neue Vorstandschef Jürgen Weber fuhr einen harten Sanierungskurs und konnte das Unternehmen vor der Pleite retten. Unter anderem halfen die Piloten, die Einsparungen zustimmten, sich allerdings 2001 einen guten Teil der Zugeständnisse wieder zurückholten. Weber, wie auch sein Nachfolger Wolfgang Mayrhuber, leugneten lange, dass die Ende der Neunzigerjahre aufkommenden Billigfluggesellschaften für Lufthansa eine Bedrohung darstellen könnten. Erst 2002 gründete der Konzern den eigenen Ableger für die Sparte - Germanwings.

Enorme Widerstände für die kleine Airline

Doch es war nur ein halbherziger Versuch. Intern musste die kleine Airline enorme Widerstände überwinden, um überhaupt fliegen zu können. Viele Lufthansa-Mitarbeiter in der Frankfurter Zentrale hatten überhaupt gar kein Interesse daran, die Neuen groß werden zu lassen. Germanwings durfte lange nicht so schnell wachsen wie geplant. Die Lufthanseaten fanden immer neue Wege, Germanwings neue Kosten zu übertragen. Am Ende war die einst als Billig-Airline gestartete Tochtergesellschaft nicht mehr konkurrenzfähig.

Nicht nur Easyjet und Ryanair, die neuen dominierenden Kräfte im europäischen Luftverkehr, machen Lufthansa das Leben schwer. Auch auf den Langstrecken, einst die profitabelste Sparte, sind neue Konkurrenten wie Emirates, Qatar Airways und Etihad aufgetaucht. Sie bieten zum Teil besseren Service und niedrigere Preise.

Unter dem Strich haben sich die Gewichte in der Branche deutlich verschoben. Lufthansa oder auch Air France-KLM sind nicht mehr die dominierenden Kräfte im Luftverkehr, obwohl beide Konzerne in den vergangenen zehn Jahren kräftig hinzugekauft haben. Lufthansa etwa übernahm Swiss, Austrian und einen großen Teil von Brussels Airlines. Im Luftverkehr verliert ein großer Anbieter nicht von heute auf morgen seine Bedeutung, es ist ein Prozess, der sich über Jahre erstreckt. Und so macht Lufthansa immer noch Gewinne, aber nicht genug, um die nötigen Investitionen in neue Flugzeuge oder bessere Business Class-Sitze finanzieren zu können. Deswegen der Sparkurs.

Piloten wollen interne Billigkonkurrenz verhindern

Dabei sind die Tage für Germanwings - unabhängig von dem Absturz - wohl gezählt. Weil die Airline längst nicht mehr bei den Kosten mit Ryanair oder Easyjet mithalten kann, soll sie in den kommenden Jahren abgewickelt werden. Die Marke wird nach und nach verschwinden. Die Piloten, für die wie auch für die Lufthansa-Kollegen der teure Konzerntarifvertrag gilt, sollen zurückversetzt werden zur Muttergesellschaft. Die Flotte, 61 Maschinen der Baureihen Airbus A319 und A320, sollen nach und nach zu Eurowings transferiert werden, einer weiteren Konzerntochter, die deutlich billiger fliegt.

Die Pläne, die Lufthansa-Chef Spohr im Juli 2014 vorgestellt hat, sind der wahre Hintergrund für die Pilotenstreiks. Die Piloten wollen verhindern, dass sie nun auch intern Billigkonkurrenz bekommen. Zuletzt hatte der Konzern noch einen Versuch unternommen, einen Deal einzugehen und vorgeschlagen, Germanwings bis mindestens 2020 zu erhalten, wenn die andere Seite genügend Zugeständnisse macht. Doch derzeit sieht wenig nach einer Einigung aus.

Jörg Handwerg von der Vereinigung Cockpit sagte der dpa, dass man angesichts der Katastrophe derzeit nicht über neue Streiks nachdenke. "Wir sind entsetzt und betroffen und haben daher im Moment ganz andere Sorgen."

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