Seit der Zeit des Wiener Kongresses ist er der Höhepunkt der Ballsaison, die Karten sind mindestens so begehrt wie bei den Wagnerfestspielen in Bayreuth, seine Gästeschar ist illuster bis schräg: der Wiener Opernball. Eröffnet wird der Abend von Debütantenpaaren aus der ganzen Welt. Etwa die Hälfte der Bewerber kommt aus Wien, ein Viertel aus dem restlichen Österreich und das letzte Viertel aus aller Herren Länder. Aus Asien, Russland - oder Bayern. Charlotte Stoiber ist 20 Jahre alt, studiert in München VWL und debütiert in diesem Jahr beim Opernball. Ein paar Tage vor ihrer Finanzwissenschaft-Klausur erzählt sie von ihrem großen Tag.
SZ.de: Eine junge Frau, die rituell in die Gesellschaft eingeführt wird. Klingt reichlich antiquiert. Wie kommt man im Jahr 2014 auf die Idee, Debütantin zu werden?
Charlotte Stoiber: Den Opernball zu eröffnen, war schon lange mein Traum. Das ist einfach eine Riesenehre! Und schließlich bin ich ja auch gebürtige Wienerin.
Das hört man überhaupt nicht.
Als wir von dort weggezogen sind, konnte ich noch gar nicht sprechen, ich war noch ein Baby. Aber mein Patenonkel wohnt im ersten Bezirk, macht superleckeren Kaiserschmarrn - ein waschechter Wiener. Als ich 13 war, haben wir abgemacht, dass ich mal debütieren würde.
Und mit 17, dem frühesten möglichen Alter, haben Sie sich gleich beworben?
Ja, ich habe sofort angerufen. Aber es hieß, man müsse sich als Paar bewerben. Also habe ich die letzten drei Jahre damit verbracht, einen Mann zu suchen, der mitmacht.
Und?
Das war ziemlich schwierig. Richtig gute Tänzer sind echt selten.
Liegt Ihnen das Tanzen?
Ja, ich tanze, seit ich drei Jahre alt bin. Vor allem Hiphop und Ballett. Das Problem beim Standardtanz ist - wie gesagt: Man braucht einen Partner.
Wo haben Sie am Ende einen gefunden?
Mein Cousin Felix, mit dem ich eng befreundet bin, ist zum Studium nach München gekommen. Er hat sich bereit erklärt, mitzumachen, ein echter Liebesbeweis. Dafür bin ich ihm wirklich dankbar. Er hat aber nicht gedacht, dass wir genommen werden.
Hatten Sie so ein schlechtes Gefühl beim Vortanzen?
Da wir aus dem Ausland kommen, mussten wir durch kein Casting, sondern haben uns nur schriftlich beworben. Das war schon im Sommer. Als im Dezember die Zusage kam, waren wir echt überrascht. Besonders Felix, der war völlig geflasht.
Und ihre Tanzkünste wurden gar nicht geprüft?
Doch, erst jetzt am Wochenende, zehn Tage vor dem Opernball. Die Voraussetzung ist schließlich: Der Linkswalzer muss perfekt sein. Wer das bei der ersten Probe nicht kann, darf auch nicht mitmachen. Das Vortanzen hat aber gut geklappt - wir haben seit der Zusage schließlich jede Woche trainiert.
Klingt stressig.
Ja, vor allem bei dem Lernstress für die Uni. In der Klausurenphase hatte ich kaum Zeit, mich auf den Ball zu freuen. Meine Mutter hat die Vorbereitungen in die Hand genommen und sich um den Friseurtermin und solche Dinge gekümmert.
Am Donnerstag werden Sie dann also als eines von etwa 150 Paaren im ehrwürdigen Wiener Opernhaus einmarschieren, ganz in Weiß.
Schneeweiß. Das ist die einzige Bedingung für das Kleid - und das ist auch die Herausforderung. Ich habe gemeinsam mit meiner Mutter einen ganzen Tag lang Brautmodengeschäfte abgeklappert und Kleider probiert. Die sind aber eigentlich nie schneeweiß und meistens sehr teuer. Ich habe mein Kleid schließlich im Internet bestellt.
Der Eröffnungstanz wird nur ungefähr fünf Minuten dauern. Wird der Rest des Abends nicht womöglich langweilig?
Die anderen Debütanten sind ja in derselben Situation, und bei den Proben freundet man sich schnell an. Und weil für Eltern von Debütanten ein Kontingent der begehrten Karten reserviert ist, wird das auch ein lustiger Familienausflug. Meine Eltern kommen mit, mein Onkel und meine Tante.
Sind sie aufgeregt?
Ja, und wie. Mein Albtraum wäre, dass jemand auf mein Kleid tritt und mir den Rock runterreißt. Aber das ist natürlich Quatsch. Ich habe schon oft vor Publikum getanzt, ich habe keine Angst, dass die Nervosität meine Leistung beeinträchtigt. Felix ist da ein bisschen unerfahrener und deshalb vielleicht auch aufgeregter als ich. Man hat ja eine große Verantwortung. Aber er macht seine Sache unglaublich gut, ich bin sehr stolz auf ihn.
Was tun Sie gegen die Nervosität?
Ich denke mir: Seit 150 Jahren gibt es den Opernball, und es hat immer geklappt. Und ich weiß einfach, dass es wunderschön wird. Und etwas, woran ich mich mein ganzes Leben gerne zurückerinnern werde.