Süddeutsche Zeitung

Debatte um Muslime in Frankreich:Ärger um den Halal-Burger

Die Integrationsdebatte in Frankreich hat neue Nahrung bekommen - im wahrsten Sinne des Wortes: Die Fastfood-Kette Quick bietet in machen Lokalen nur noch islamisch korrekte Speisen an. Konservative Politiker schalten die Staatsanwaltschaft ein.

Stefan Ulrich

Wer Anstoß nehmen will am Islam in Frankreich, der findet genügend Steine. Mal sind es Moscheen, gegen die sich der Ärger richtet, mal ist es ein Wasserspeier der Kathedrale von Lyon, der einen Muslim darstellt, und mal die Burka, der Ganzkörperschleier.

Derzeit sind es vor allem Fleischklöße, die die Islamdebatte anheizen und ultrarechten Gruppen Nahrung bieten. Vergangene Woche hat die Fastfood-Kette Quick die Zahl ihrer Restaurants in Frankreich, die nur Halal-Speisen anbieten, von acht auf 22 erhöht. Deswegen hat die weit rechts stehende Partei "Alsace d'Abord" nun die Staatsanwaltschaft angerufen - wegen Diskriminierung von Nichtmuslimen.

Die Quick-Lokale, von denen es auch zwei im Elsass gibt, seien Orte der Begegnung gewesen, klagt Jacques Cordonnier, der Chef von Alsace d'Abord. Jetzt wendeten sie sich nur noch an Muslime. "Das verstärkt die Ghettobildung mancher Viertel." Außerdem würden Leute, die in Halal-Filialen speisten, gezwungen, mit ihrem Geld islamische Organisationen zu unterstützen, die mit Halal-Nahrung handelten.

Halal ist in aller Munde in Frankreich. Das arabische Wort für "rein, erlaubt, statthaft" steht für Nahrungsmittel, die nach den Vorschriften des Islam zubereitet sind. Sie dürfen keinen Alkohol und keine Bestandteile vom Schwein enthalten. Das Fleisch muss von geschächteten Tieren stammen. Da in Frankreich etwa fünf Millionen Muslime leben und viele Junge stärker ihren Glauben leben wollen, boomt das Halal-Geschäft. Neben Fleisch oder Babynahrung werden Gebäck, Bonbons, ja sogar Cola in der Halal-Variante angeboten. In den Städten eröffnen Halal-Supermärkte. Der Halal-Umsatz soll dieses Jahr bereits 5,5 Milliarden Euro ausmachen. Da will Quick, das im französischen Staatsbesitz ist, auch mitverdienen.

Der republikanische Aperitif

Gruppierungen wie der rechtsextreme Front National nutzen den Halal-Boom, um die angebliche Islamisierung Frankreichs zu brandmarken und Islamophobie zu schüren. Marine Le Pen, die Tochter des Parteichefs Jean-Marie, nennt die Halal-Lokale einen "Skandal". Sie wirft der konservativen Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy vor, diese wünsche die Islamisierung Frankreichs und die Anwendung der Scharia. Von ihren Anhängern bekommt Marine Le Pen Applaus für solche grotesken Attacken.

Auch andere Organisationen säen Zwietracht. So ruft die "Résistance républicaine" zu "republikanischen Aperitifen" auf, bei denen demonstrativ viel Schwein und Wein konsumiert wird. Auch kommt es manchmal zur Schändung muslimischer Kultstätten. Premier François Fillon räumte Anfang des Sommers ein: "Ja, es gibt in Frankreich antimuslimische Taten." Bürger muslimischen Glaubens würden unerträglich oft diskriminiert und angegriffen.

Neben den Islamophoben gibt es jedoch viele Franzosen, die sich aus guten Gründen Sorgen machen über jene Minderheit unter den Muslimen, die sich nicht integrieren will. Politiker aller Couleur fürchten, dass religiös motivierte Parallelgesellschaften entstehen, in denen sich Muslime abkapseln. So kritisierten Politiker der Kommunisten, Grünen, Sozialisten und Konservativen die Halal-Restaurants von Quick. "Das ist gefährlich", findet die kommunistische Bürgermeisterin von Saint-Quen. "Es spaltet die Bevölkerung."

Diesen Donnerstag kommt ein Buch auf den Markt, das die Sorgen verstärken dürfte. Es heißt Pour l'Islam de France und stammt von Hassen Chalghoumi. Der Geistliche, der als Vorzeige-Imam der Republik gilt, beklagt einen wachsenden Einfluss orthodoxer bis fundamentalistischer Kräfte auf die Muslime. Diese Gruppen würden aus dem Ausland finanziert und versuchten, die Moscheen unter ihre Kontrolle zu bekommen. Der Islam habe seinen Platz in Frankreich noch nicht gefunden, mahnt der Imam in einem Interview. "Auf der einen Seite sehe ich, wie der antimuslimische Rassismus wächst, auf der anderen, wie sich ein Teil der Muslime radikalisiert."

Ob Bauten, Burka oder Burger - Scharfmacher beider Lager finden genügend Anlässe, diese Entwicklung voranzutreiben. Doch es wirken auch besonnene Gegenkräfte. So meint Ex-Premier Alain Juppé salomonisch: "Die Republik muss den Islam respektieren, unter der Bedingung, dass der Islam die Republik respektiert." Und die Internet-Zeitung Marianne 2 empfiehlt Gelassenheit. Quick habe kein Hamburger-Monopol, und Gesundheitsexperten rieten ohnehin, kein Fastfood zu essen.

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SZ vom 09.09.2010/aho
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