Süddeutsche Zeitung

Das Streiflicht:Mit gequetschtem Kleinhirn

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Mit jedem gekauften Paar Stöckelschuhe wird auf dieser unserer Erde eine Frau verrückt. Wie - glauben Sie nicht? Ist doch wissenschaftlich erwiesen!

Jetzt ist es wissenschaftlich untermauert: Schuhe machen Frauen verrückt. Das ist in der ersten Aufregung noch ins Unreine gesprochen und klingt vielleicht zu männerbündisch und beifallheischend.

Aber wenn man das, was Professor Jan Flensmark aus Malmö erforscht hat, allgemein verständlich ausdrücken will, muss man knapp sagen: Schuhe, insbesondere hochhackige, machen Frauen, insbesondere modebewusste, komplett verrückt.

Das geht schon seit Jahrhunderten so, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Es ist doch noch niemandem aufgefallen, oder? Mit jedem gekauften Paar Stöckelschuhe wird auf dieser unserer Erde eine Frau verrückt.

Aber jetzt erst mal der Reihe nach: Jede Frau hat ja, bevor sie barfuß ein Schuhgeschäft betritt, eine Hand voll prima funktionierender Mechanorezeptoren in ihren Waden.

Die Mechanos, wie wir sie populärwissenschaftlich nennen wollen, stimulieren das Kleinhirn der Frau und lassen sie auf diesem Weg zu einem fröhlichen, konsumbereiten und, Gott ja, vielleicht auch ein bisschen leichtfertigen Ding werden.

Die Folge: gedankenloser Erwerb hochhackiger Schuhe. Davon die Folge: Einengung der Wadenmuskulatur. Und weiter? Kleinhirnverkleinerung, akuter Dopaminmangel, und am Ende steckt eine komplett übergeschnappte Frau mit beiden Beinen in diesen Stöckelschuhen drin.

Und die Männer? Lachen, die fiesen Kerle. Sie lachen das Lachen der Sieger, weil sie sich selber diese Stöckelschuhe ausgedacht haben. Seit der frühen Neuzeit verbauen die Schuster den Weg der Mechanos zum weiblichen Kleinhirn mit fetten Absätzen.

In Italien kam es Mitte des 15. Jahrhunderts zur Kreation der Chopine. Es handelt sich dabei um einen Schuh, dessen Absatz so absurd hoch war, dass Frauen nur in Begleitung zweier starker Männer durch die frische Welt der Renaissance gehen konnten. "Künstlich herbeigeführte Immobilität als frühe weibliche Lebensform" - ein schönes Seminararbeitssthema für Kulturhistoriker.

Männer wollen hilflos staksende Frauen an ihrer Seite wissen. Männer führen Kriege. Männer bauen Waffen. Aber Männer bauen auch Plateausohlen. Männer lassen kleine lackierte Heere von Stöckelschuhen wie Soldaten aus den Fabriken marschieren; die schnappen sich Frauen mit schönen Mechanorezeptoren, wickeln ihnen ihre Lederbänder um die Waden und stöckeln mit ihnen in die nächste Bar, wo die Frauen sich, halb verrückt, von den Männern auffangen lassen.

Ingeborg Bachmann hat das sehr schön ausgedrückt: "Treulos ist meine Geliebte, ich weiß, sie schwebt manchmal auf hohen Schuh'n nach der Stadt." Und macht dort was? Sie stolpert mit gequetschtem Kleinhirn ins nächste Schuhgeschäft und lässt sich vom grinsenden Verkäufer was Hochhackiges andrehen.

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Quelle:
SZ vom 21.7.2005
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