Süddeutsche Zeitung

Dänemark:Eine App, die einvernehmlichen Sex garantiert

In Dänemark ist neuerdings die ausdrückliche Zustimmung zum Sex gesetzlich verpflichtend, und schon gibt es die erste App dafür. Braucht's das?

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Ja zum Sex: In Dänemark gibt es seit vergangener Woche eine App dafür. "iConsent" heißt sie, bringt zwei Parteien über ihre Telefonnummern zusammen und lässt sie eine Transaktion innerhalb einer halben Minute abschließen. Die beiderseitige Zustimmung, heißt es in den Richtlinien der App, gilt für jeweils einen Geschlechtsverkehr, läuft nach 24 Stunden ab und lässt sich widerrufen. Die Entwickler der App hoffen, so erklären sie, "digitale Zustimmungen zur Norm zu machen und so Missverständnissen und Missbrauch vorzubeugen". Für sie ist es, das haben sie mehrfach öffentlich gesagt, die App zum neuen Gesetz.

Seit 17. Dezember nämlich hat auch Dänemark - wie Schweden schon seit 2018 - ein Gesetz, das die ausdrückliche Zustimmung zum Sex verpflichtend macht. Sex ohne Einwilligung wird seither als Vergewaltigung gewertet. Was könnte also praktischer sein, werben die Entwickler nun, als eine App wie "iConsent", die einen digitalen Vertrag erstellt, der verschlüsselt und gespeichert wird und der bei Bedarf später als Beweismittel verwendet werden könnte. Und während der Kommentator der Zeitung Politiken zugab, er habe die App zuerst für einen Scherz gehalten oder aber eine "sarkastische Reaktion" auf das neue Zustimmungsgesetz, wurde schnell klar: Die App ist ernst gemeint.

Woraufhin sich im Land eine Debatte erhob, die man vielleicht im Sinne eines Austauschs von Pro und Contra gar nicht Debatte nennen kann, denn praktisch alle, die sich zu Wort meldeten, halten die Idee der App für mehr oder weniger großen Mist. Die Urteile bewegen sich im Rahmen von "ziemlich unsinnig", "schrecklich schlechte Idee" und "skandalöses Missverständnis". "Endlich ist sie da", schrieb die Zeitung Berlingske, "die App, die den Sex so unsexy macht wie eine Corona-Pressekonferenz." Rechtsanwälte wiesen darauf hin, dass eine Zustimmung per App auch vor Gericht kaum Bestand haben werde: In 24 Stunden kann viel passieren, ein jeder hat das Recht, seine Meinung jederzeit wieder zu ändern.

"Eine sexuelle Beziehung ist kein Vertrag"

Das Beste, was sich über die App sagen ließe, schrieb Mikkel Flyverbom, Professor an der Copenhagen Business School und Mitglied des dänischen Datenethikrates (Dataetisk Råd), sei, dass sie den in manchen Kreisen der Gesellschaft vorherrschenden "naiven Glauben an Technologie und deren traurige Sicht auf den Menschen" beispielhaft zum Vorschein bringe: als ob sich alle komplexen sozialen Herausforderungen und menschlichen Interaktionen mit angeblich "intelligenten Anwendungen" auf ein paar Datenpunkte und Knopfdrücke reduzieren ließen. Sein Urteil, wie das der meisten anderen: Themaverfehlung.

Dass Sex eine komplexe Angelegenheit ist und auf dem Weg dorthin eine Menge von Signalen auch missverstanden werden können, sorgt bei vielen Menschen für jene Unsicherheit, auf die "iConsent" eine Antwort zu haben verspricht. Dabei gehe die App in Wirklichkeit "komplett an den Bedürfnissen da draußen" vorbei, sagte die Vorsitzende des dänischen Familienplanungsvereins "Sex og Samfund": "Eine sexuelle Beziehung ist kein Vertrag." Die App sei offensichtlich von Leuten entwickelt worden, die die jahrelange Debatte zum Zustimmungsgesetz schlicht verschlafen hätten.

Tatsächlich gehe es bei dem Gesetz nicht darum, die Leute dazu zu bringen, vor dem Sex etwas zu unterschreiben, wiederholen nun viele derer, die am Gesetzgebungsprozess beteiligt waren. Ziel sei vielmehr, die Leute dazu zu bringen, einander mehr zuzuhören und miteinander zu sprechen, auf Nuancen einzugehen. "Es ist eine Fähigkeit, andere sexuell zu lesen", sagt der Arzt und klinische Sexologe Jesper Bay-Hansen. "Wenn wir das in eine App verschieben, dann bringen wir uns um einen Teil der Möglichkeiten, diese Fähigkeit zu erlernen."

Gegner des Zustimmungsgesetzes hätten oft argumentiert, das Gesetz würde den Sex seiner Magie berauben, heißt es in einem Kommentar der Zeitung Berlingske. "Nichts könnte falscher sein. Nichts ist so sexy wie Zustimmung." Das gelte allerdings nur für den direkten und fortlaufenden Austausch zweier Menschen, schreibt die Autorin, nicht für eine Ja-zum-Sex-App, "die uns noch den letzten Rest von Wärme nimmt".

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