CSD in Köln:Lack und Leder in der Domstadt

Außnahmezustand in Köln: Mehr als 20.000 Lesben und Schwule zogen durch die Stadt - und prangerten die Diskiminierung Homosexueller in Osteuropa an.

Wenn nahe der Amtswohnung von Kardinal Meisner Schamhaarperücken und Brustgeschirre angelegt werden, dann wissen die Kölner: Es ist wieder Christopher Street Day (CSD). Im Grunde verwundert es nicht, dass ausgerechnet die Domstadt die größte Parade dieser Art hat. Karneval im Sommer, davon träumte man am Rhein schon immer.

CSD ddp

Christopher Street Day in Köln: Unter dem Motto §homo europaeicus: geht aufrecht!" prangerten sie die Diskriminierung von Homosexuellen im östlichen Nachbarland an.

(Foto: Foto: ddp)

In diesem Jahr nahmen die CSD-Veranstalter den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski aufs Korn: Unter dem Motto "homo europaeicus: geht aufrecht!" prangerten die 20.000 Teilnehmer die Diskriminierung von Homosexuellen im östlichen Nachbarland an.

Auf einem Bild wurde Kaczynski auf allen Vieren und mit Keule dargestellt. In aufsteigender Evolutionslinie folgten dann die Regierungschefs Italiens, Großbritanniens, Deutschlands, Spaniens und der Niederlande.

Damit sollte ausgedrückt werden, dass die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in den verschiedenen EU-Staaten noch sehr unterschiedlich ist. "Die Hetze gegen Homosexuelle in Polen, die Polizeiknüppel gegen friedliche Demonstranten in Moskau dürfen nicht unwidersprochen bleiben", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck.

Auch in Deutschland und selbst im toleranten Köln gebe es noch Probleme, sagte Paradeleiter Ralf Wandelt. "In Köln kommt es auf den Ringstraßen regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen, da wird direkt zugeschlagen."

Dennoch: Nittlerweile sind auch viele Heteros davon überzeugt. Die CSD-Parade ist der bessere Rosenmontagszug. Trotz forcierter Entblößung männlicher Anatomie ist das Event nach 15 Jahren so etabliert, dass dorthin sogar Kaffeefahrten für Senioren angeboten werden.

Nicht jeder CSD-Veteran findet es gut, dass nun so viele "Normalverpartnerte" - Schwulenverbandsdeutsch für Heteros - dabei sind. "Früher war es gemütlicher, da waren wir mehr unter uns", sagt Ludwig Müller (56), der in einer Art Gestapomantel erschienen ist. "Das ist der Latex-Gummi-Look, Military Style, wissen Sie."

Um dem Family-Charakter des Umzugs ein wenig entgegenzuwirken, ist die Fetisch-Szene präsenter als sonst. Dort beschränkt man sich nicht auf das Herzeigen von Waschbrettbäuchen und anderer Biomasse, sondern gewährt einen Einblick in die dunkle Welt des Sadomaso.

"Wir wollen auch mal das Harte zeigen", sagt Thomas (45) vom Wagen 31 und schwingt seine Peitsche. Im bürgerlichen Leben ist er Hausmeister in Gelsenkirchen, aber die Szene kennt ihn als Sir Tom the Masked. Er trägt eine Art Henkersmütze samt klirrendem Brustpanzer und führt an einer Kette einen weitgehend mit Lederriemen bekleideten Herrn mit sich.

Dieser stellt sich mit den Worten vor: "Ich bin 48 Jahre alt und kaufmännischer Angestellter aus Düsseldorf." Sir Tom erläutert: "Ich hab dat hier von der Pieke auf gelernt, hab vor 30 Jahren wie der hier als Sklave angefangen, und jetzt bin ich Master. Du glaubs gar nich, wer bei uns alles mitmacht: Hohe Tiere, auch Politiker. Ich sach immer: 'Der Mensch is eine Bestie.'"

Die Parade, die sich am Mittag auf der Deutzer Brücke über den in der Sonne glitzernden Rhein bewegt, soll "das ganze Spektrum der Szene repräsentieren". Die alternativ gepolte Karnevalstruppe Rosa Funken schwingt die enthaarten Männerbeine, und die Muskelmänner vom SC Janus - Europas größtem schwul-lesbischem Sportverein - zeigen, dass Homos nicht nur mit Wattebäuschchen um sich werfen.

2010 findet in Köln die Schwulenolympiade Gay Games statt. Dann gibt es noch die ganz Schönen, die zeitlebens mit der Bekämpfung männlicher Problemzonen beschäftigt sind, und die rheinischen Frohnaturen, die sich als Revue-Girls, Bademeister oder US-Navy-Offiziere verkleidet haben.

Frank (37), Frührentner aus Hagen, hat daheim 300 Uniformen und ist an diesem Tag als französischer Gendarm erschienen. "Mir gefällt es, Dominanz auszustrahlen", erklärt er. Dazwischen werben auf den Wagen aber auch Autofirmen und Versicherungskonzerne um die begehrte Zielgruppe der "Dinks" (Double income, no kids).

Am Straßenrand stehen Hunderttausende Zuschauer. "Das heißt aber nicht, dass in Köln nun alle furchtbar tolerant wären", sagt Gerd (42), der auf Wagen 7 mitfährt. Und sein Nebenmann, der Friseur Volker Abt (40), meint: "Den Kölnern ist es im Prinzip egal, auf welchem Fest sie tanzen."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: