Süddeutsche Zeitung

Stilkritik "Credit-Suisse-Mütze":Ein Sieg für den Kappetalismus

Ende der 1970er-Jahre verschenkte die Schweizerische Kreditanstalt, Vorgängerin der Credit Suisse, 800 000 Mützen. Jetzt stellt sich heraus: Sie sind eine bessere Geldanlage als so manche Aktie.

Von Titus Arnu

Sie ist blau-rot-weiß, aus robustem Acryl und etwas unförmig. Mit der Kappe der Schweizerischen Kreditanstalt sah man immer etwas schlumpfig aus. Nein, schön ist sie nicht, die Mütze mit dem Logo der Credit-Suisse-Vorgängerin. Trotzdem war diese "Chappe", wie man in der Schweiz sagt, im Land einst so verbreitet wie kein anderes Mode-Accessoire. Wer in den 1970er- und 80er-Jahren in der Schweiz aufgewachsen ist, dort Skikurse besuchte oder einen Urlaub verbrachte, kam um eine Begegnung mit der SKA-Mütze nicht herum. Fast jedes Kind hatte eine auf dem Kopf.

1977 verteilte die Schweizer Kreditanstalt, die spätere (und gerade implodierte) Credit Suisse, 800 000 Mützen als Werbegeschenk. Die Zürcher Nobelbank wollte damals offensichtlich zwei Fliegen mit einer Kappe schlagen: gleichzeitig von einem Geldwäsche-Skandal ablenken und volksnah wirken. Also startete die Marketing-Abteilung eine Scham-Offensive und verschenkte die billig produzierten Kappen an die Bevölkerung. Erstaunlicherweise funktionierte der Plan hervorragend: Die Mütze kam so gut an, dass sie bald vergriffen war. Da sie praktisch unzerstörbar ist, konnte man jahrzehntelang keine Schweizer Skipiste hinunterkurven, ohne sich von den SKA-Farben umzingelt zu fühlen. Mit Helm fuhren damals nur professionelle Abfahrtsläufer und übervorsichtige Spießer. Wer cool sein wollte, hatte beim Skifahren eine bunte Mütze an, dazu Strickpulli und möglichst enge Rennhosen.

200 Franken für eine Mütze, 80 Rappen für eine Aktie

Wie es aussieht, bleibt von der früheren SKA nur die Mütze als positiver Wert bestehen. Während der Kurs der Credit Suisse steil wie eine Abfahrtspiste ins Tal rauschte, stieg in gegensätzlicher Richtung der Preis der kultigen Kopfbedeckung. In Brockenstuben (Schweizer Bezeichnung für Second-Hand-Läden), auf Ebay und bei anderen Verkaufsplattformen werden originalverpackte SKA-Mützen von 1977 für bis zu 200 Franken (202 Euro) gehandelt. Unter der "Sofort kaufen"-Option wurden sogar 500 Franken für ein Exemplar aufgerufen. Ein "sehr schönes Kult-Stirnband" für Damen mit dem SKA-Logo war für 50 Franken zu haben. Im Angebot sind auch Neuauflagen des Klassikers, billige Kopien des billigen Originals.

Wer seine Werbe-Mütze von früher aufgehoben hat, könnte damit nun ordentliche Erlöse erzielen. Eine Inhaberaktie der SKA kostete im Jahr 1977, als die eidgenössische Volksbemützung startete, etwa 400 Franken, eine Namensaktie sogar gut 2000 Franken. Zuletzt waren es noch 80 Rappen. Die SKA-Mütze ist mittlerweile ein Vielfaches wert - und das, obwohl es sich ursprünglich um ein Geschenk handelte. Was wieder mal beweist: Der Kapitalismus ist komplett neben der Kappe.

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