SZ-Serie "Alles Gute":Enge Freunde

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(Foto: Steffen Mackert)

Wenn die italienische Freundin des neuen Mitbewohners in der kleinen WG strandet, haben zwar alle weniger Platz, dafür aber mehr Spaß.

Von Benedikt Peters

Es ist gut zwei Wochen her, seitdem steht fest: Wir sind jetzt zu dritt. Mein Mitbewohner und ich teilen uns eine gemütliche, aber doch recht enge Wohnung in der Münchner Maxvorstadt: zwei Zimmer, Küche, kein Balkon. Seine Freundin war übers Wochenende zu Besuch gekommen, aus Rom, wo sie ihre Doktorarbeit schreibt. Und dann saß sie vor dem Laptop und checkte immer wieder ihren Rückflug, bis aus dem Verdacht Gewissheit wurde: Flug gestrichen, Italien nahezu abgeriegelt. Nichts ging mehr.

Jetzt lebt sie also bei uns, vermutlich wochen-, wenn nicht gar monatelang, mit zwei Pullovern und ohne ihre liebsten Bücher.

Das Coronavirus lässt Menschen an Orten landen, an denen sie eigentlich nicht sein wollen. Zumindest nicht dauerhaft. Man kann sich dieser Tage auch im eigenen Zuhause wie ein Gestrandeter auf einer einsamen Insel fühlen, aber das erscheint immer noch besser, als unterwegs irgendwo steckenzubleiben und einfach nicht weiterzukommen.

Keine Frage, einige dieser Menschen erleben Horrorgeschichten. Die Urlauber etwa, die irgendwo in Indien sitzen und nicht wissen, wann und wie sie nach Hause kommen. Gar nicht zu reden von den Flüchtlingen, die jetzt an Grenzen ausharren und deren Chancen, sie jemals zu überwinden, noch weiter gesunken sind. Den Touristen kann man nur wünschen, dass die Rückholaktion der Bundesregierung bald auch die entferntesten Winkel der Welt erreicht. An die Flüchtlinge muss man ständig erinnern, sie dürfen auch jetzt nicht vergessen werden.

Jenseits dessen aber gibt es auch schöne Geschichten vom Stranden. Der Freund aus der Großstadt zum Beispiel harrt wegen Corona auf dem elterlichen Bauernhof aus und fährt glücklich Traktor. Schön ist schließlich auch das, was wir in unserer Wohnung erleben, auch wenn sie klein ist. Abend für Abend sitzen wir zu dritt in der Küche, kochen und spielen Backgammon; manchmal läuft Italo-Pop. Wir reden über Geschichte (die beiden sind Historiker) und über Journalismus, über Italien jenseits der Klischees; natürlich auch über das, was uns nervt und was uns Sorgen macht in dieser ungewissen Zeit.

Der Mitbewohner ist erst vor Kurzem eingezogen, seine Freundin kannte ich noch gar nicht. Jetzt haben wir uns eng angefreundet, was ohne Corona nie so schnell passiert wäre.

In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten.

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