Süddeutsche Zeitung

Flut an Fake News:Lebendig für tot erklärt

In Großbritannien verbreitet sich über die sozialen Medien ein falscher Artikel über den angeblichen Tod einer Probandin, die einen Impfstoff gegen Covid-19 testet. Sogar das Gesundheitsministerium schaltet sich ein.

Von Alexander Menden

Von Mark Twain stammt der lakonische Satz: "Die Nachricht von meinem Tod ist übertrieben." So zitierte ihn 1897 das New York Journal in einem Interview, mit dem der Schriftsteller Gerüchte zerstreute, er sei vor Kurzem gestorben.

Zu einem sehr ähnlichen Dementi sah sich Dr. Elisa Granato veranlasst, als sie am vergangenen Sonntag twitterte: "Es gibt doch nichts Schöneres, als aufzuwachen, und einen Fake-Artikel über den eigenen Tod zu lesen... Es geht mir gut, Leute." In einem Skype-Interview mit der BBC beteuerte sie später: "Ich bin springlebendig. Ich trinke eine Tasse Tee. Drei Tage nach meinem Geburtstag, drei Tage, nachdem ich den Impfstoff bekommen habe - oder das Kontroll-Placebo, man weiß es nicht."

In einem über soziale Medien verbreiteten Artikel war besagter Impfstoff für den angeblichen Tod der 32-jährigen Mikrobiologin verantwortlich gemacht worden. Der Text behauptete, Elisa Granato sei nach der Injektion mit einem Wirkstoff namens "ChAdOx1 nCoV-19" gestorben. Schon wenige Stunden nach der Einnahme habe es Komplikationen gegeben; kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus sei sie tot gewesen. Mittlerweile hätten die Behörden eine Untersuchung eingeleitet.

Schon vor Granatos offiziellem Lebenszeichen gab es allerdings Anlass zur Skepsis: Wie "Fullfact", eine Gruppe unabhängiger britischer Faktenchecker mit Sitz in London, rasch belegte, handelte es sich bei der obskuren Quelle nicht um eine vertrauenswürdige Nachrichtenagentur. Der Artikel enthalte neben mehreren Rechtschreib- und Grammatikfehlern frei erfundene Aussagen angeblicher Forscher.

Gesundheitsministerium schaltet sich ein

Richtig ist, dass Elisa Granato, die als Postdoktorandin am Zoologischen Institut der Universität Oxford arbeitet, derzeit an einer Impfstudie teilnimmt. Diese soll feststellen, ob "ChAdOx1 nCoV-19" zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neuartige Coronavirus genutzt werden könnte. Ihr und einem weiteren Freiwilligen wurde in der vergangenen Woche jeweils der Wirkstoff oder ein Placebo injiziert. Wie bei solchen Studien üblich, wissen die Probanden selbst nicht, wer von ihnen welche Injektion bekam.

Neben der quicklebendigen Probandin selbst sah sich auch das britische Gesundheitsministerium veranlasst, den Sachverhalt auf Twitter klarzustellen. "Die in den sozialen Medien verbreitete Nachricht, dass der erste Freiwillige in einer britischen Coronavirus-Impfstoffstudie gestorben sei, ist völlig falsch. Bevor Sie haltlose Behauptungen online teilen, nutzen Sie unsere Checkliste, um die Verbreitung schädlicher Inhalte zu stoppen." Aufgrund der Flut an Desinformation und Fake News, welche die Corona-Pandemie begleitet, hat die britische Regierung eigens eine Liste von Merkmalen erstellt, anhand derer man die Vertrauenswürdigkeit von im Internet verbreiteten Behauptungen prüfen kann. So solle man Quellen, reißerische Überschriften und Sachinformationen analysieren, sowie auf retuschiertes Material und offenkundige Fehler achten.

Die Oxforder Impfstudie läuft derweil weiter. Elisa Granato gehört zu einer Gruppe von insgesamt 800 Freiwilligen im Alter von 18 bis 55 Jahren, die daran teilnehmen werden. Von Komplikationen ist bisher nichts bekannt.

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