Junge Menschen und Corona:"Ein dramatischer Wert"

Jugendliche

Der Verzicht auf gemeinsame Treffen und Feiern setzt während der Pandmie vielen Jugendlichen erheblich zu. Szene vom Tempelhofer Feld in Berlin im Mai 2021.

(Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa)

40 Prozent der 14- bis 29-Jährigen sagen bei einer Befragung, die Pandemie beeinträchtige ihre psychische Gesundheit, 37 Prozent beklagen einen Kontrollverlust im Alltag. Ein Geschlecht leidet dabei besonders.

Von Marija Barišić, Berlin

Nach 21 Monaten Pandemie sind junge Menschen immer noch die Vergessenen dieser Krise - und das spüren sie. Das zeigt eine aktuelle repräsentative Studie namens "Jugend in Deutschland", für die 14- bis 29-Jährige zwischen dem 14. und 22. Oktober zu ihren aktuellen Sorgen und Wünschen befragt wurden. 40 Prozent von ihnen gaben dabei an, dass die Corona-Krise ihre psychische Gesundheit verschlechtere, 37 Prozent beklagten einen Kontrollverlust bei ihrer Alltagsgestaltung, ihren persönlichen Beziehungen und im Schul- und Berufsleben.

Initiiert wurde die Studie zum dritten Mal in Folge von dem Jugendforscher Simon Schnetzer, Co-Autor ist der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann. Gemeinsam mit der Autorin Valentina Vapaux, 20, und Raphael Huber, 26, der an Wiener Schulen Workshops für Jugendliche anbietet, stellten die beiden Forscher am Montag ihre Studienergebnisse vor.

Positiv hervorzuheben sei, dass sich die Angaben zur psychischen Gesundheit im Vergleich zur vergangenen Befragung im Sommer 2021 ein Stück weit verbessert hätten. Damals sagten noch 53 Prozent, dass die Pandemie ihre psychische Gesundheit beeinträchtige, also deutlich mehr als heute (wobei anzumerken ist, dass die aktuelle Befragung vor der Explosion der Inzidenzen stattgefunden hat). Das ist laut Initiator Schnetzer allerdings kein Grund zur Freude: "Wenn 40 Prozent sagen, ihre psychische Gesundheit hat sich verschlechtert, dann ist das immer noch ein dramatischer Wert." Junge Menschen bräuchten dringend mehr unterstützende Angebote wie Mentoring oder Coaching.

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Schnetzer appelliert an die Politik, jetzt endlich zu handeln: "Projekte wie Rock Your Life, bei denen Studierende Schülerinnen coachen, oder Workshops wie die von Raphael Huber, die das Selbstbewusstsein von Schülern stärken, müssen jetzt noch intensiver gefördert werden als sonst." Der Forscher kritisiert, dass die Politik nicht ausreichend in den Austausch mit der jungen Generation trete und zu wenig Interesse zeige. "Es ist fast schon peinlich, dass die Regierung es nicht einmal geschafft hat, eine breit angelegte Befragung unter jungen Menschen zu machen, und dass stattdessen ich gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Hurrelmann, also quasi wir als Privatpersonen, einspringen müssen." In den Interviews habe er jedenfalls gemerkt, dass junge Menschen sich danach sehnten, gehört zu werden: "Die Rückmeldung war: Endlich fragt uns mal wer!"

Noch wichtiger als der politische Austausch ist laut Autorin Vapaux, die sich in ihrem Buch "Generation Z" mit der jungen Generation beschäftigt hat, dass die Politik die mentale Gesundheit von jungen Menschen ernst nimmt und mehr Angebote für Therapieplätze schafft.

"Mein Leben ist wieder gut - seit ich mit Instagram aufgehört habe"

Auffallend ist, dass es bei der Frage nach der psychischen Gesundheit große Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt: So geben junge Frauen erheblich häufiger an (47 Prozent), dass sich ihre psychische Verfassung verschlechtert habe, als junge Männer (33 Prozent). Für Vapaux ist das Ergebnis nicht überraschend. Es habe viel mit den Sozialen Medien zu tun, "dort werden vor allem junge Frauen von anderen Influencerinnen mit unerreichbaren Schönheitsidealen überfordert". Bei männlichen Influencern gehe es hingegen eher um Themen wie Comedy und Satire.

Auch Schnetzer bestätigt diese Einschätzung. So habe der Forscher in Interviews mit jungen Frauen immer wieder den Satz gehört: "Mein Leben ist jetzt wieder gut, weil ich vor einem halben Jahr aufgehört habe, Instagram zu nutzen. Seit ich mich nicht mehr ständig mit anderen vergleiche, nehme ich mein eigenes Leben wieder als gut wahr." Bemerkenswert ist auch, dass Männer nicht nur bei der psychischen Gesundheit besser abschneiden, auch wenn es um die körperliche Gesundheit, die finanzielle Situation oder den Lebensstandard geht, berichten sie in einem geringeren Maße von Verschlechterungen als junge Frauen.

69 Prozent sind doppelt geimpft, 20 Prozent sind skeptisch

Weitgehende Übereinstimmung herrschte jedenfalls bei der Frage nach der Impfung: 69 Prozent der jungen Menschen gaben an, bereits vollständig geimpft zu sein. Knapp 20 Prozent lehnen eine Impfung ab oder sind skeptisch. Gefragt nach den wichtigsten politischen Forderungen nannte eine große Mehrheit die Sicherung der Rente (59 Prozent) und die Schaffung einer lebenswerten, klimagerechten Zukunft (54 Prozent).

Überraschend war in dem Zusammenhang vor allem, dass die meisten im Alltag weniger "grün" handeln als erwartet. So sind rund 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen regelmäßig privat mit einem Auto unterwegs. Der Anteil der Befragten, die bereit sind, dauerhaft auf ein eigenes Auto (19 Prozent) oder auf Flugreisen (27 Prozent) zu verzichten, ist gering. Hoch ist dagegen der Anteil derer, die hin und wieder neue, nachhaltige Verhaltensweisen erproben. Eine große Mehrheit ist also aufgeschlossen, ihren Lebensstil für das Klima zu ändern, aber nur eine Minderheit tut das tatsächlich schon.

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