SZ-Kolumne "Alles Gute":Paradies der Häuslebauer

Corona und Alltag
(Foto: Steffen Mackert)

Selbst stocksteife Büromenschen streben plötzlich in die Grünanlagen und errichten Tipis. Nebeneinander draußen zu werkeln, ist definitiv besser, als drinnen hygienisch zu vereinsamen.

Von Meredith Haaf

Erinnert sich noch jemand an Sabine, den Orkan? Sie (oder er?!) richtete Anfang Februar Verwüstungen an, die nicht mithalten können mit dem, was das Virus angerichtet hat. Zumindest aus Menschensicht. Das Holz erzählt eine andere Geschichte.

In Parks und Wäldern liegt es herum, also überall dort, wohin sich der Stadtmensch gerade bewegt, um draußen anderen nicht zu nahe zu kommen. Umgefallen, abgebrochen, herumgeschleudert von den Stürmen einer lang vergangenen Zeit vor circa zehn Wochen. Nicht nur morsches Geäst. Überall im Unterholz findet man jetzt lange, feste und vor allem richtig starke Äste. Es ist gerade ein Steckenparadies da draußen.

Das würde im Normalfall keinen Erwachsenen interessieren außer diejenigen, die öfter in Gesellschaft von Hunden oder kleinen Kindern draußen unterwegs sind. Normale Städter haben keine Zeit für Stöcke, sie haben Arbeit, Hobbys, Einkaufslisten, Verabredungen, und wenn mal sonst nichts ist, müssen sie in ihre Autos steigen und rausfahren, in die Berge oder übers Wochenende nach Tirol.

Nach dem Home-Office zum Tipi-Bauen

Das ist jetzt anders. Münchner jedenfalls, die das Glück haben, in der Nähe von Grünidyllen zu leben, halten sich da jetzt auch auf. Und so trifft man nun nach Home-Office-Feierabend kleine Verbände von Menschen allen Alters, die mit den Stecken das machen, was ihre Spezies offenbar zwanghaft tut, wenn sie eine Rohstofffülle entdeckt: Sie produzieren. Und zwar Steckenhäuser, auch Buden oder Tipis genannt. Darin sitzen sieht man nur selten jemanden. Wer will schon "Zuhause" spielen, wenn man da sowieso dauernd ist?

Die Isarauen haben den Charakter eines waldpädagogischen Neubaugebietes gewonnen, aber auch einen der Gemeinschaft. Wenn uns keine bessere Handlungsoption bleibt, als uns hygienisch vor uns hin zu vereinzeln, können wir zumindest draußen nebeneinander anpacken.

Der ungeschriebene Grünanlagen-Code verbietet es, Stöcke aus fertigen Buden zu klauen - oder erst, wenn man mindestens zwei Tage hintereinander sehnsüchtig darauf geschielt hat. Und so werden die Stecken langsam, aber unausweichlich wieder zur Mangelware. Bald wird der Stadtmensch sich für draußen etwas anderes einfallen lassen müssen. Kein Zweifel, dass das klappt.

In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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