SZ-Kolumne "Alles Gute":Wellness im Kiezbad

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Steffen Mackert)

Die Einrichtung heruntergerockt, die Becken überfüllt, oft Randale: Berlins Schwimmbäder waren berüchtigt. Doch seit Corona fühlt es sich dort an wie im VIP-Bereich eines exklusiven Urlaubsresorts.

Von Verena Mayer

Ich sitze in der Sonne und blicke auf den glitzernden Pool. Im Pool ist niemand, und auch sonst habe ich hier fast alles für mich, die Liegestühle, das Sonnendeck, die Wiese. Genauso habe ich mir den VIP-Bereich eines exklusiven Urlaubsresorts vorgestellt. Dort bin ich aber nicht, sondern in Berlin, genauer gesagt in einem Kiezbad für 3,80 Euro Eintritt.

Kaum etwas ist in der Hauptstadt so heruntergerockt wie die Schwimmbäder. Sie sind nicht nur alt und marode, sondern oft auch tageweise außer Betrieb, weil das Personal fehlt oder wieder etwas kaputt gegangen ist. Hat man es dann hineingeschafft, ist es auch nicht besser. Die Becken sind überfüllt, die Duschen dreckig und die Badenden so aggro, dass es jedes Jahr ein "Randale-Bad" in die Schlagzeilen schafft. Zwar will der Berliner Senat in den kommenden Jahren 60 Millionen Euro investieren, bis dahin ist es mit den Schwimmbädern aber wie mit den Berliner Schulen oder Flughäfen: Man braucht dafür eine ordentliche Portion Masochismus.

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Durch Corona macht man diese Erfahrung immerhin sehr exklusiv. Die meisten Bäder wurden in Berlin geschlossen, nur einige Freibäder durften unter der Bedingung wieder öffnen, dass sie die Zahl der Besucher begrenzen und Abstandsregeln durchsetzen. Die Tickets dafür muss man vorab im Internet buchen. Sie gelten nur an einem bestimmten Termin für jeweils vier Stunden und sind dementsprechend schnell ausgebucht. Wenn man aber ein solches Zeitfenster ergattert hat, ist es genial. Die Liegewiesen sind leer, das Planschbecken teilen sich zwei Familien. Im 50-Meter-Becken wiederum sind breite Bahnen abgesteckt, und die Schwimmmeister passen auf, dass darin höchstens fünf, sechs Leute unterwegs sind.

Das heißt: Man kann nun tatsächlich schwimmen. So richtig kraulen, rücken- und brustschwimmen. Man kann überholen und am Ende der Bahn eine Rolle machen. Es ist so überschaubar und geordnet, dass für alle Platz ist, die Kampfschwimmerinnen, die Rückenkraul-Opis, die spritzenden Teenies und die Leute, die nur am Beckenrand ihre Zehen ins Wasser halten. Es ist genau dieses entspannte Nebeneinander, für das Berlin auf der ganzen Welt berühmt ist, das man aber in einem Berliner Bad zu normalen Zeiten nie finden wird. Ich hätte sogar unfallfrei ein paar Bahnen delfinschwimmen können. Aber man muss es ja nicht gleich übertreiben.

In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure wöchentlich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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