So lästig die Ausgangssperre in Kalifornien ist, sie könnte ja auch einen positiven Effekt haben: Denn wenn die Einwohner des Bundesstaates das Haus nur noch für unbedingt notwendige Besorgungen und Spaziergänge um den Block verlassen dürfen, dann gibt es auch keine Gelegenheit mehr, auf Instagram möglichst extravagante Fotos von sich an möglichst exquisiten Orten zu posten. Denn das führt ohnehin nur dazu, dass am Ende alle die gleichen Bilder in ihren Profilen haben.
Allerdings gibt es da diese herrliche Blumenwiese im Antelope Valley nördlich von Los Angeles. Dort blüht, wie jedes Jahr um diese Zeit, der kalifornische Goldmohn. Ein Naturspektakel, das die Leute verzückt.
In diesem Jahr ist das Spazierengehen zwischen den Mohnblumen verboten, natürlich auch das Fotografieren. Aber nicht alle halten sich daran.
"Es sind nicht so viele Leute wie im vergangenen Jahr, wirklich nur ein Bruchteil", sagt Jean Rhyne von der Behörde California State Parks. Damals habe es wegen des Regens im Winter einen sogenannten "Superbloom" gegeben. Manchmal kamen 10 000 Menschen pro Tag. So viele, dass die Verantwortlichen eines anderen Blumenparks südöstlich von Los Angeles einen Shuttle-Service von der Stadt Lake Elsinore ins Tal mit den Mohnblumen organisierten - weil sie fürchteten, dass die Leute sonst die Wiesen kaputt getrampelt hätten.
Ein paar Tage später, das immer gleiche Bild auf vielen Instagram-Accounts: Menschen inmitten dieser orange-gelben Blüten. Sieht natürlich toll aus - es gab aber auch Fotos, auf denen ganz deutlich zu sehen war, wie viele Menschen abseits der Wanderwege unterwegs waren, um nur dieses eine Foto von sich inmitten dieser Wiese zu bekommen, vermeintlich ganz alleine.
In diesem Jahr hatten Experten damit gerechnet, dass es wegen der Trockenheit gar nicht blühen könnte - doch ein paar Schauer in den vergangenen Wochen sorgten für die Blüte. "Weil sich ein paar Leute nicht an die Ausgangssperre halten, müssen wir nun Straßensperren errichten. Wir lassen nur noch Leute durch, die auch hier wohnen", sagt Rhyne.
Das hilft nur bedingt, weil Besucher nun offensichtlich Anwohner dafür bezahlen, sie in deren Auto ins Tal zu bringen. Kolportierter Preis für den Chauffeur-Service: 15 Dollar pro Person, für viele offenbar ein attraktiver Deal. Der illegale Blumen-Tourismus blüht auch deshalb, weil in Los Angeles gerade alle Strände gesperrt sind. Rhyne fürchtet die Folgen: "Die Wanderwege sind eng. Wir fürchten, dass Besucher das Virus aus anderen Gegenden hierher bringen und es sich so in anderen Städten verbreitet."
Die Lösung der Behörde: ein Livestream, der über mehrere Webcams die Blüte des Goldmohns in alle Welt überträgt. Das ist löblich und wunderschön - aber es bleibt das gleiche Gefühl, als wenn man die Social-Media-Accounts anderer Leute betrachtet und selbst nicht dort sein kann. Hungrig vor einem Restaurant stehen und durch die Scheibe sehen, wie sich alle anderen den Bauch vollstopfen, macht ja auch nicht glücklich.