Columbia-Absturz:Der Tod kam später

Die Crew der verunglückten Columbia hat vermutlich länger gelebt, als bislang angenommen wurde. Damit hätte sie auch von den schweren Problemen an Bord der Raumfähre gewusst haben müssen.

bgr

Die New York Times berichtet, dass die Astronauten der verunglückten Raumfähre Columbia wohl noch eine Minute länger als bislang errechnet gelebt haben müssen.

Columbia-Absturz: Die gefundenen Teile der Columbia im Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida.

Die gefundenen Teile der Columbia im Kennedy Space Center in Cape Canaveral, Florida.

(Foto: AP)

Die Zeitung zitiert mehrere Verantwortliche einer Untersuchungsgruppe, die Überreste der Flugschreiber und Sensorsysteme im Inneren der Kapsel auswertet.

Demnach habe die Crew noch gut eine Minute nach dem Abreißen des Funkverkehrs zwischen Fähre und Kontrollzentrum gelebt. Die Untersuchungen werden unternommen, um künftige Shuttle-Missionen sicherer zu machen.

Allerdings plant die NASA nicht, weitere Einzelheiten der Untersuchung an die Öffentlichkeit zu geben.

Gutachter hatten bisher angenommen, dass die Astronauten unmittelbar nach dem Auseinanderbrechen der Fähre gestorben seien. Den neuen Erkenntnissen zu folgen, sei die Kapsel mit den Raumfahrern dabei zwar schwer beschädigt worden, aber in sich länger intakt geblieben als bislang vermutet. Damit gelte nun auch als gesichert, dass den Crew-Mitgliedern der Ernst ihrer Situation bewusst gewesen sein muss.

"Es ist ein ziemlich stabiler Container, in den die Astronauten da gesteckt werden. So ziemlich das letzte, was an einer Fähre zerstört werden kann. Er blieb sehr lange völlig intakt. So etwas haben wir ja auch schon bei der Challenger-Katastrophe gesehen", sagt - mit Verweis auf das Shuttle-Unglück aus dem Jahr 1986 - einer der nun mit der Untersuchung des Columbia-Unglücks Beauftragten, der laut New York Times aber ungenannt bleiben will.

Tatsächlich hält man die Columbia-Katastrophe in Fachkreisen inzwischen für vermeidbar. Hier sei ein verhängnisvolles, allerdings bekanntes Problem beim Start aufgetaucht, das man schon zuvor beobachtet, aber nicht behoben habe: Schaumstoff, der von den externen Tanks auf den Orbiter gestürzt sei und ihn schon zu Missionsbeginn fatal beschädigt habe. "Das alles war bekannt. Aber nun sitzen wir hier und fragen uns, was in den Menschen in der Fähre vorgegangen ist und was sie wohl zuletzt gedacht und gesagt haben könnten. Das macht mich wütend" fügte der anonyme Experte hinzu.

Das so aussagekräftige Sensorsystem ist ein sogenannter "orbital experiment support systems recorder", der Mitte März in Hemphill, Texas, gefunden wurde. Er zeichnete das Wiedereintauchen in die Atmosphäre der Columbia bis 18 Sekunden nach 9:00 Uhr auf. Mutmaßlich ist dies der Zeitpunkt, an dem der Astronauten-Container zerbrach.

Allein die Tatsache, dass dieses Gerät solange mit Strom und Daten versorgt wurde, wertet die Untersuchungskommission als Beleg dafür, dass die Astronauten-Kabine länger als bislang erwartet intakt geblieben sein muss.

Die letzte Sequenz der Flugschreiber hatte um 8:59:28 verzeichnet, wie Rick D. Husband, der Kapsel-Kommandant, ausrief: "Roger, uh," oder auch "Roger, buh." Danach war die Aufzeichnung abgerissen. Im Kontext seiner Konversation mit der Bodenstation könnte er auch: "Roger, both..." gesagt haben und damit die beiden linken Lande-Reifen gemeint haben, deren Sensoren eine Überhitzung vermeldet hatten.

Zur Zeit dieser letzten Übertragung befand sich die Columbia mit etwa 18-facher Schallgeschwindigkeit etwa 200,000 Fuß über Dallas und zerfiel schon in Teile. Der zuletzt gefundene Rekorder hatte festgehalten, dass die Überhitzung der Fähre schon 16 Minuten früher, kurz nach 8:44 Uhr, eingesetzt hatte, was die Crew aber erst einige Minuten später bemerkt haben kann.

Auch nach dem Challenger-Desaster war herausgefunden worden, dass die Astronauten die erste Explosion des Tanks überlebt haben müssen. Damals war den Shuttles ein horizontaler Pfahl eingebaut worden, der bei Shuttle-Problemen wie eine Teleskop-Antenne seitwärts wegführen sollte. Die Idee war, dass die Astronauten sich im Falle einer Havarie daran entlang hangeln und mit Fallschirmen zur Erde zurück kehren sollten. Aber diese Sicherheitsmaßnahme bedingt, dass das Shuttle wesentlich langsamer ist und sich nicht in der Höhe befindet, in der sich die Columbia zum Zeitpunkt des fatalen Unfalls befunden hat.

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