Schlag gegen Clan-Kriminalität:Geheimoperation Abschiebung

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So sehen Spezialkräfte der Polizei aus - im Bild im Schanzenviertel in Hamburg während des G20-Gipfels. (Foto: dpa)
  • Schwer bewaffnete Spezialkräfte holten in Bremen den 46-jährigen Ibrahim Miri aus dem Bett.
  • Er gilt als Anführer des kriminellen Miri-Clans.
  • Nun wurde er in den Libanon ausgeflogen.

Von Hans Leyendecker, München

Frühmorgens machte es Rumm! Die Haustür flog auf. Schwer bewaffnete Spezialkräfte holten in Bremen den 46 Jahre alten Ibrahim Miri aus dem Bett. Der führende Kopf des Miri-Clans wurde in einen Hubschrauber gepackt, zu einem Flugplatz geflogen und von dort nach Libanon gebracht.

Eine geheime Operation, völlig überraschend. "Die besagte Person war ausreisepflichtig und wurde abgeschoben", erklärte eine Sprecherin der Bremer Innenbehörde. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) spricht "von einem erfolgreichen Schlag gegen die Clankriminalität" und betont, dass die Verabredungen, die man vorigen Monat auf der Innenministerkonferenz getroffen habe, erste Wirkungen entfalteten. Die Innenminister der Länder hatten sich zu einer Art Null-Toleranz-Strategie und einer engen Zusammenarbeit gegen die kriminellen arabischstämmigen Clans verabredet. Der Berliner Senator Geisel war schon im Frühjahr nach Libanon gereist, um Abschiebungen möglich zu machen.

Ein kompliziertes Geflecht

Das funktioniert normalerweise nicht über Ämter, sondern nur über persönliche Beziehungen, und die Regierenden in Libanon mögen es nicht, wenn sie mit solchen Aktionen öffentlich in Verbindung gebracht werden. Auch deshalb sind die Bremer Behörden so schmallippig, wenn sie gefragt werden, auf welchem Weg Miri abgeschoben wurde.

Es ist ein kompliziertes Geflecht: Die Miris gelten hierzulande als ein krimineller Clan, der vor allem in Bremen, aber auch in Berlin stark vertreten ist und ein paar Verzweigungen hat, die nach NRW führen. Ibrahim Miri, der im Mai 2014 wegen Drogendelikten zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde, sich aber wieder auf freiem Fuß befand, soll so etwas wie der Kopf des Clans sein. Doch wahr ist auch, dass gesetzestreue Mitglieder dieser Familie mit dem kriminellen Teil nur den Nachnamen gemeinsam haben. Auch solche Miris gibt es.

Seit einiger Zeit fahren deutsche Sicherheitsbehörden gegen Clans einen harten Kurs. Hotspots sind Berlin, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen. Großangelegte Razzien, die Beschlagnahme von Luxusautos und Häusern gehören zu dieser Strategie: Nadelstiche und die Ramme.

Was lässt sich der Staat noch alles gefallen?

Dabei ist derzeit noch nicht einmal der gängige Begriff "Clankriminalität" abschließend definiert. Was macht einen Clan aus? Welche Gruppierung fällt darunter? Darüber streiten Behörden. Aber auch ohne genaue Definition provoziert dieses Gewese, sich nicht an Regeln zu halten und mit dem Kriminellsein manchmal sogar zu protzen, geradezu die Frage, was sich der Staat noch alles gefallen lässt.

Wie viele Mitglieder der Großfamilie Miri kriminell sind, weiß niemand genau. Das liegt schon alleine daran, dass der Name immer wieder verschieden geschrieben wird. Da kommt die polizeiliche Registratur nicht mit.

Anfang dieses Monats schickte das Innenministerium in NRW einen Abschlussbericht über Clans und Kriminalität an den Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags. Darin steht, dass "generalpräventive und kriminalitätsbegrenzende Wirkungen in erster Linie aufenthaltsbeendende Maßnahmen" sein könnten. Aber die seien, gerade was Libanon angehe, äußerst schwierig. "De facto" würden sie "nicht durchgeführt".

Jetzt ist, de facto, die Lage anders. Die Abschiebung des Ibrahim Miri, der auch mal Chef des inzwischen verbotenen Rocker-Clubs Mongols MC war, wird von Thomas Jungbluth, Leitender Kriminaldirektor für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität beim Landeskriminalamt in Düsseldorf, als "wichtiges und gutes Signal" gewertet. Ibrahim Miri sei wohl der erste Prominente, der abgeschoben werden konnte. Dies könne die Szene verunsichern. In den "archaischen Strukturen" solcher Kulturgemeinschaften sei ein Anführer nicht leicht durch einen anderen Anführer zu ersetzen.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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