Süddeutsche Zeitung

Fall Christoph Metzelder:Zeugin und Beschuldigte

Die Hauptbelastungszeugin im Fall Christoph Metzelder erzählt detailliert, warum der Ex-Fußballer ihr Bilder geschickt haben soll, auf denen sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu sehen ist. Seine Verteidigung hält sie für eine Provokateurin.

Von Ralf Wiegand

Es ist ihre Sicht der Dinge. Es ist die Geschichte einer Frau, die aller Voraussicht nach ins Zentrum eines viel beachteten Gerichtsprozesses geraten wird. Sie ist, Stand jetzt, einerseits Zeugin im Verfahren gegen den ehemaligen Fußballprofi Christoph Metzelder - und andererseits selbst Beschuldigte. Metzelder sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, Bilder besessen und weitergegeben zu haben, auf denen sexualisierte Gewalt an Kindern zu sehen ist - unter anderem an jene Bekannte, die nun in der Zeit ihre Geschichte erzählt hat. Wie sie Metzelder kennengelernt haben will, wie sie sich zweimal getroffen haben wollen, wie sie schließlich sehr intim miteinander gechattet hätten - und wie am Ende Bilder kleiner Kinder, nackter Kinder, in sexuelle Handlungen gezwungener Kinder bei ihr gelandet sein sollen. Und wie sie schließlich zur Polizei gegangen sei.

Viele Details, die jetzt durch den Artikel "Und dann kamen die schrecklichen Bilder" bekannt geworden sind, werden wohl auch Thema vor Gericht werden. Der Termin für das Hauptverfahren gegen den ehemaligen Nationalspieler Metzelder steht fest, am 29. April soll der Prozess gegen den 40-Jährigen vor dem Amtsgericht Düsseldorf beginnen.

Angeklagt ist er "wegen des Unternehmens, einer anderen Person Besitz an kinderpornographischen Schriften zu verschaffen in 29 Fällen und Besitzes kinderpornographischer und jugendpornographischer Schriften in einem weiteren Fall". Wie dieses "Unternehmen" sich zugetragen haben soll, schildert die Zeugin, die die Zeit Rafaela Jahn nennt, einem Reporter der Hamburger Wochenzeitung.

Zwei Treffen und eine dramatische Wendung

Demnach sei sie, laut Zeit eine Frau Anfang 40, anfangs nur eine der vielen Followerinnen des berühmten Sportlers auf Instagram gewesen, bis der sich plötzlich selbst bei ihr gemeldet habe, am 8. November 2018. Sie sei beeindruckt von ihm gewesen, die beiden hätten schnell vertraut miteinander gechattet, wie Verliebte. Im Dezember ein erstes Treffen in einem Hamburger Restaurant, nichts weiter angeblich. Fünf Monate später ein zweites Treffen, diesmal in einem Hamburger Hotel, diesmal über Nacht, ein weiteres wird es angeblich nicht geben. Denn im Sommer 2019, im August, habe die Kommunikation eine dramatische Wendung genommen.

Im Austausch über sexuelle Vorlieben und Tabus habe Metzelder ihr offenbart, davon zu fantasieren, mit ihr zusammen einen jungen Boy, ein junges Girl zu verführen. Wie alt sei jung, habe sie gefragt. Circa 18, habe er mit einem Smiley geantwortet. Wenn er 18 sage, meine er vielleicht 15 oder 16, habe sie gedacht. Dann habe Metzelder das Wort Teenager genannt.

Rafaela Jahn, schreibt die Zeit, habe für sich beschlossen, das Spiel mitzuspielen, nicht tatenlos zusehen zu wollen, "wenn er so etwas machen wollte". Zum Schein sei sie auf seine Fantasien eingestiegen, sie habe ihm geschrieben, sich entsprechende Filme angeschaut zu haben, das habe sie angemacht. Sie sei dabei. Metzelder sei dann immer konkreter geworden, jünger als 14 solle die gemeinsame Gespielin sein. Am 10. August 2019 habe er ihr ein erstes Foto eines nackten Mädchens geschickt, die Zeit schreibt, es sei vielleicht zehn Jahre alt. Kurz darauf weitere Bilder, jüngere Kinder, sehr junge Kinder in sexuellen Handlungen mit Erwachsenen. Die Zeugin will so weit gegangen sein, zwei Nichten zu erfinden, die sie gar nicht habe, vier und neun Jahre alt. Metzelder, selbst Vater einer Tochter, soll vorgeschlagen haben, die beiden zu einem gemeinsamen Urlaub nach Sylt mitzubringen.

Erst zur "Bild", dann zur Polizei

Dann ging Rafaela Jahn auf verschlungenen Pfaden, die sie auch zur Bild-Zeitung führten, zur Polizei. Der, sagt sie laut Zeit, habe sie zunächst nicht vertraut. Bild berichtete als erstes Medium über die Vorwürfe gegen Metzelder, die Durchsuchung bei ihm, war auch dabei, als die Polizei ihn von einem Trainerlehrgang abholte.

Das zunächst in Hamburg eingeleitete Verfahren wurde an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf abgegeben. Auch gegen Rafaela Jahn wurden seitens der Hamburger Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet, auch ihr droht ein Hauptverfahren, weil sie das Angebot der Einstellung wegen Geringfügigkeit gegen eine Geldbuße zunächst abgelehnt hatte. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg sagte auf Anfrage der SZ, man werfe der Frau vor, "sich den Besitz beschafft" zu haben, durch "motivierende Handlungen".

Und Christoph Metzelder, der das Bundesverdienstkreuz für "bürgerschaftliches Engagement" verliehen bekam und sich öffentlich für Kinderrechte und Kinder in Not einsetzte? Eineinhalb Jahre lang haben Metzelder und seine Anwälte geschwiegen, kein Wort zu den Vorwürfen gesagt und stattdessen zahlreiche Presseveröffentlichungen angegriffen. Am Donnerstag sagte sein Strafverteidiger Ulrich Sommer nun auf Anfrage der SZ, er halte die Zeugin "für eine Initiatorin und Provokateurin" und seinen Mandanten für einen Spielball höherer Interessen; mit Metzelders Prominenz solle die Verschärfung des Strafrechts hinsichtlich Kinderpornografie durchgesetzt werden. Die Belastungszeugin wolle sich mit ihrem Weg an die Öffentlichkeit reinwaschen.

Oberlandesgericht prüft Strafbefehl gegen Rafaela Jahn

Leon Kruse, der Anwalt der Frau, bestreitet das. Seine Mandantin, die er zu Unrecht von der Staatsanwaltschaft verfolgt sieht, wolle lediglich ihre Sicht der Dinge schildern, ehe sie womöglich selbst als Beschuldigte vor Gericht landet. Derzeit prüft das Amtsgericht Hamburg, ob gegen sie tatsächlich ein Strafbefehl erlassen oder das Verfahren gegen sie noch eingestellt wird. Eine Entscheidung, so ein Hamburger Gerichtssprecher, sei noch nicht gefallen.

Der Fortgang beeinflusst auch das Verfahren Metzelder. Wäre die Zeugin zum Beginn des Prozesses gegen den Fußballer noch selbst Beschuldigte oder hätte die Geldbuße noch nicht vollständig bezahlt, könnte sie vor Gericht die Aussage verweigern. Würde ihr eigenes Verfahren eingestellt, müsste sie aussagen und sich im Gerichtssaal dem Angriff der Verteidigung ausgesetzt sehen, die mutmaßlichen Taten Metzelders provoziert zu haben. Dann wären die ihm vorgeworfenen Straftaten noch immer Straftaten - das Strafmaß allerdings könnte sinken. Auch Straftäter, die zum Beispiel von verdeckten Ermittlern zu verbotenen Handlungen animiert werden, können mit Strafminderung rechnen, wenn ihnen später der Prozess gemacht wird.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5218153
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nas
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.