Süddeutsche Zeitung

China:Warum ein Freddie-Mercury-Film in China drei Minuten kürzer ist

  • Aus der Filmbiografie über den Queen-Sänger Freddie Mercury wurden in China jene Stellen herausgeschnitten, in denen es um seine Homosexualität geht.
  • Auch Kitsch, Gewalt, Nacktheit und feminin wirkende Männer will die Kommunistische Partei aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen.
  • Die Zensurvorschriften Chinas spiegeln den Versuch Pekings, jegliche Selbstbestimmung auszulöschen.

Von Lea Deuber, Peking

Drei Minuten ist die Filmbiografie des Queen-Sängers Freddie Mercury in China kürzer als das Original. Die Zensoren haben an den Stellen in dem Kinofilm gekürzt, in denen es um die Sexualität des Musikers geht. Zuschauer bekommen weder sein Outing noch seinen Freund zu Gesicht. Auch ein Auftritt in Frauenklamotten ist gestrichen. Und als Mercury den Bandmitgliedern von seiner Aids-Erkrankung berichtet, wird der Ton abgedreht.

Homosexualität ist längst nicht das einzige Thema, das die Kommunistische Partei mit aller Macht aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen will. Fehlende Parteiloyalität, mangelnde ideologische Treue, Vulgäres, Obszönes und überbordender Kitsch: Die Zensurvorschriften Chinas sind ein krudes Sammelsurium aus Pekings Versuchen, jegliche Selbstbestimmung auszulöschen. Angeblich, um die "zentralen Werte des Sozialismus" zu wahren, erklärt die Partei allem abseits der Mitte den Krieg.

Männer mit Ohrringen? Werden nur verpixelt gezeigt

Zensur gehörte im kommunistischen China lange zum Alltag. Und prüde war die staatliche Popkultur schon immer. Nach Jahren der wachsenden privaten Freiheiten mischt sich die Partei nun aber wieder stärker in das Leben der Bürger ein. Die Führung träumt von einer "patriotischen und harmonischen" Gesellschaft. Konformität ist leichter zu steuern.

Die Folgen werden nirgends deutlicher als in Chinas Medienwelt, die für einige Jahre verrückt und ohne Grenzen zu agieren schien. Produktionen, in denen Schauspielerinnen zu tiefe Ausschnitte tragen, fliegen nun aus dem Programm. Darstellern werden bei Nacktszenen nachträglich Kleider auf die Haut geschustert, Sex ist tabu. Blutrünstige Serien wie "Game of Thrones" lassen die Zensoren so lange zusammenschneiden, bis daraus jegliche Gewalt verschwunden ist.

Jüngstes Opfer sind: die Männer. Im Fernsehen verpixeln die Zensurbehörden ihre Ohrläppchen, wenn daran Ohrringe baumeln oder sie verhindern zumindest Nahaufnahmen. Tattoos sowie lange und gefärbte Haare landen bei immer mehr Sendungen auf dem Index. Besonders ärgert sich Peking über "xiao xian rou"; kleines, frisches Fleisch. So werden feminin wirkende Männer genannt. Häufig sind es Schauspieler oder Pop-Sänger mit Millionen Fans im Land. "Verderben die Tunten Stück für Stück die Vollblütigkeit unserer Nation?" titelte jüngst eine Zeitung. Nur ein Land mit starken Männern könne auch ein starkes Land sein.

Die staatliche Global Times schreibt von einem desaströsen Einfluss auf die nächste Generation. Männer, die sich schminkten und allzu gepflegt daherkämen, seien kein Teil der chinesischen Kultur. Dass Schmuck und Make-up nicht zu China passten, sei bereits in der Wei-Dynastie 220 nach Christus belegt, ereifert sich das Staatsblatt.

Schon damals habe die gehobene Schicht in China Make-up getragen, ohne dass sich der Trend in der breiten Bevölkerung habe durchsetzen können. Und Peking lässt über seine Nachrichtenagentur verkünden, dass China eine Generation heranziehen müsse, die "die Verantwortung des nationalen Wiederaufstieges Chinas tragen kann". Eine Erosion durch eine "obszöne Kultur" müsse unbedingt verhindert werden.

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SZ vom 02.04.2019/moge
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