Illegale Autorennen:Wenn Chinas Neureiche Luxusautos zu Schrott fahren

Illegale Autorennen: Ja: Dieses Auto war mal ein Lamborghini. Bis es mit 160 km/h eine Pekinger Tunnelwand touchierte.

Ja: Dieses Auto war mal ein Lamborghini. Bis es mit 160 km/h eine Pekinger Tunnelwand touchierte.

(Foto: AFP)
  • Illegale Autorennen von Funktionärssöhnen mit Luxusautos sorgen dafür, dass in China zunehmend Wut auf reiche Parteikader entsteht.
  • Immer wieder kommt es zu spektakulären Unfällen, bei denen auch schon unbeteiligte Passanten ums Leben kamen.
  • Die Kluft zwischen Arm und Reich in China wird immer größer.

Von Kai Strittmatter, Peking

In der Nacht von Samstag auf Sonntag warteten Pekings Action- und Autofans ungeduldig auf das Mitternachtsläuten. Da nämlich startete in ausgewählten Kinos der siebte Teil der Hollywood-Blockbusterreihe "The Fast and the Furious", deren Grundidee darin besteht, dass coole Kerle in aufgemotzten Autos zu illegalen Straßenrennen antreten. Am Ende liegt oft die halbe Kulisse in Trümmern, die von den Hauptdarstellern Vin Diesel und Paul Walker gespielten Protagonisten aber reiten - stets aufs Neue gestählt - auf ihren blankgewienerten paar Hundert Pferdestärken dem Sonnenuntergang entgegen.

Zwei Stunden vor der Mitternachtspremiere trafen sich ein 20-Jähriger mit dem Familiennamen Yu aus der Stadt Changchun und ein 21-Jähriger namens Tang aus Peking im Norden der Hauptstadt, um ihr eigenes Rennen auszutragen. Yu stieg in einen roten Ferrari, Tang in einen grünen Lamborghini, dann rasten sie über die Datun-Straße in den Tunnel hinein, geplagten Anwohnern zufolge eine beliebte Strecke für die illegalen Rennen der Pekinger Jeunesse Dorée. Als sie schließlich gegen Absperrungen und Tunnelwände krachten, waren sie nach Angaben der Polizei mit 160 Stundenkilometer unterwegs. Erlaubt sind 60.

Dem Lamborghini riss es die komplette Front ab, dem Ferrari die rechte Tür, trotzdem wurden weder die Fahrer noch die junge Frau, die auf dem Beifahrersitz des Lamborghinis saß, schwer verletzt.

Glück gehabt, könnte man sagen, nur: Wenn die beiden Fahrer Furor wollten, dann haben sie ihn auch bekommen - Chinas Netzgemeinde ist mit einem Zorn über sie hergefallen, wie er hierzulande sonst für korrupte Kader reserviert ist. Und eben für die Reichen. Einen Lamborghini kriegt man in Peking nicht unter 600 000 Euro, einen Ferrari nicht unter einer halben Million. Und dann fanden sich da ja auch noch ein Paar schwarzer Stöckelschuhe am Unfallort. Genug Stoff für Netzfantasien. Und die in China wohl unvermeidlichen Reflexe. Da kann Tangs Mutter noch so beteuern: "Er ist ein ganz normales Kind." Aus den sozialen Netzwerken schallt ihr dafür nur Häme entgegen.

Eines der ungleichsten Länder der Welt

"Lasst ein paar Leute zuerst reich werden", hatte Deng Xiaoping, der Vater von Chinas Reform- und Öffnungspolitik, den Chinesen einst gesagt. Heute zählt der in Shanghai erscheinende Hurun-Report mehr als 430 Milliardäre im Land. Mehr gibt es nur in den USA. Anders als dort stehen Reiche in China jedoch oft unter Generalverdacht: Man unterstellt vielen von ihnen, durch Protektion, Korruption oder krumme Geschäfte an ihren Wohlstand gekommen zu sein. Die Ressentiments fallen auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil die Kluft zwischen Arm und Reich explodiert ist. Ein Papier des Internationalen Währungsfonds nannte China im März "eines der ungleichsten Länder der Welt".

Eine vom System genährte und geschützte Schicht der Privilegierten auf der einen Seite, und eine breite Masse, die glaubt, sie komme zu kurz, das ist der Hintergrund, vor dem auch die Debatte über den Unfall tobt. Zumal es Präzedenzfälle gab. Der schwarze, in Peking zu Schrott gefahrene Ferrari vor drei Jahren zum Beispiel: Darin saß Ling Gu, Sohn des damaligen politischen Schwergewichts Ling Jihua, seines Zeichens rechte Hand von KP-Generalsekretär Hu Jintao. Im Wagen saßen zudem noch zwei nur spärlich bekleidete junge Frauen, von denen eine später an ihren Verletzungen starb.

Oder 2009, Hangzhou: Damals tötete Hu Bin, ein 20-jähriger Sprössling einer reichen Familie, bei einem illegalen Autorennen einen Passanten. Dann rief er seine mächtigen Freunde an, die dafür sorgten, dass die Polizei das Unfallprotokoll fälschte. "Wenn den Mächtigen und den Gewinnern alles möglich ist, dann zerstört das die soziale Gerechtigkeit", schrieb ein Kommentator damals.

Arbeitslose mit Luxuswagen

Die "fu erdai", die verwöhnten, sich für unantastbar haltenden Reichen- und Kadersöhnchen, die Recht und Gesetz auslachen, das ist längst ein Topos, der Widerhall findet. Die überwältigende Mehrheit der Nutzer in China tippte nach dem Unfall in Peking sofort darauf, die Fahrer müssten Kinder hoher Funktionäre oder Neureicher sein. Als die Polizei erklärte, die beiden seien "ohne Beschäftigung", fühlten sie sich bestätigt. "Wie großartig der Sozialismus doch ist, dass er Arbeitslosen erlaubt, Luxuswagen zu fahren", spottete einer beim Mikrobloggingdienst Weibo. Die Straßenrennen, befand die Pekinger Global Times, nährten den "Reichenhass".

In einem Interview mit der Zeitung Beijing News versuchten die Eltern des Lamborghini-Fahrers Tang, den Gerüchten entgegenzutreten. "Nein, wir sind keine Beamten", beteuerte die Mutter. Vater Tang stellte sich selbst als Aktienspekulant vor. Der Sohn sei einst professioneller Billardspieler gewesen, verdiene seit zwei Jahren sein Geld aber ebenfalls an der Börse.

Im Netz reagieren sie weiter mit Skepsis. War der Vater nicht bis vor ein paar Jahren noch bei der Volksbefreiungsarmee? "Viele korrupte Beamte behaupten, ihr Reichtum stammt von der Börse", heißt es in einem Kommentar auf dem Portal QQ. Über die Familie von Ferrarifahrer Yu ist noch nichts bekannt.

Der Film "The Fast and the Furious", Teil 7, lief übrigens dann auch noch am Sonntag. Die Einnahmen am ersten Tag in China: 391 Millionen Yuan, umgerechnet knapp 60 Millionen Euro. Mehr als zehn Millionen Besucher an einem Tag, doppelt so viel wie beim bisherigen Spitzenreiter, "Transformers 4". Ein neuer Rekord.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: