Pop-Sängerin:Cher: Die Königin des Autotune-Effekts wird 70

Die Sängerin veröffentlicht inzwischen lieber beißend-lustige politische Kommentare auf Twitter statt neuer Alben - nicht nur dafür muss sie gefeiert werden.

Von Jan Kedves

Heute feiert Cher ihren siebzigsten Geburtstag, und das ist doch ein schöner Anlass, um ihr hier einmal von Herzen zu danken. Wofür? Für ihre Stimme, natürlich. Für das satte, warme Glucksen, das in ihr liegt. Für die Hits, mit oder ohne Sonny: "I Got You Babe", "Take Me Home", "If I Could Turn Back Time". Und dafür, dass Cher - geboren wie gesagt vor 70 Jahren als Cherilyn Sarkisian in El Centro, Kalifornien - immer wieder auch neue Rollen für sich findet. Von der neuesten - der beißend-lustigen politischen Kommentatorin - bekommt man in Deutschland leider nicht so viel mit. Der New Yorker druckte im März schon eine Karikatur dazu: Eine Frau streckt ihren Kopf ins Wohnzimmer, wo ihr Mann auf dem Sofa sitzt, ins Laptop schaut und sagt: "Stör mich nicht - ich lese grade einen von Chers faszinierenden politischen Tweets."

Diese Tweets, die Cher regelmäßig an ihre drei Millionen Twitter-Fans sendet, lesen sich zum Beispiel so: "Trump ist so ekelhaft, mit Worten lässt er sich gar nicht beschreiben!! Aber vielleicht mit Bildern!! Haare in der Suppe, Parodontose, Ku-Klux-Klan, Maden, Sea World, Eiter, Fracking, Kotze, hungernde Kinder." Ja, das ist gemein, ätzend, unter der Gürtellinie - und damit genau auf Trump-Niveau.

Rundum progressiv, feministisch, sexuell liberal und demokratisch

Es ist natürlich auch Ausdruck von Chers rundum progressivem, feministischem, sexuell liberalem und demokratischem Weltverständnis. Kein anderer Promi hat sich je öffentlich so liebend und unterstützend hinter seine lesbische Tochter (Chastity) gestellt, die dann irgendwann zum heterosexuellen Sohn (Chaz) wurde. Sonst noch etwas?

Aber sicher: Cher ist die Mutter des modernen Pop! Analog zum Verständnis, dass sich der Körper plastisch frei formen lässt, ließ sie 1998 in ihrem Hit "Believe" ihr sattes, warmes Glucksen vom digitalen Autotune-Effekt derart überformen, bis es klang, als seien ihre Stimmbänder aus Silikon gegossen. "Believe" war der erste Hit, der das ursprünglich zur unmerklichen Stimmhöhenkorrektur gedachte Autotune-Programm derart missbrauchte.

Der "Cher-Effekt"

Erst dachte man, das sei ein Novelty-Gag, bald habe es sich damit. Doch heute gibt es mehr Autotune-Songs als je zuvor - die Top-Ten-Hits der letzten Wochen, "Work" von Rihanna und "One Dance" von Drake sind nur einige Beispiele. Ja, man wird noch vom "Cher-Effekt", der sogar Rapper zum Jodeln brachte, sprechen, wenn es Cher irgendwann einmal nicht mehr gibt.

Gott sei ihr gnädig, in letzter Zeit sind wirklich genug Pop-Ikonen gestorben! Derzeit deutet nichts darauf hin: Neben Trump-Beschimpfungen postet Cher auch gerne knuddelige Selfies von sich und ihrer neunzigjährigen Mutter Georgia Holt, die aussieht wie siebzig, während Cher natürlich weiterhin aussieht wie maximal fünfzig. "Awwww!", schreiben die Fans darunter. Ja, Cher ist besser als jedes Katzenvideo. Nur ein neues Album könnte sie vielleicht mal wieder aufnehmen. Herzlichen Glückwunsch!

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