Messerstecherei:Dritter Mann im Chemnitzer Tötungsfall gesucht

Tatort in Chemnitz nach Messerstecherei

Am Tatort in der Chemnitzer Innenstadt gedenken Menschen des infolge der Messerattacke verstorbenen Opfers Daniel H.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)
  • Im Fall des durch Messerstiche in Chemnitz getöteten Daniel H. hat das Amtsgericht Chemnitz einen weiteren Haftbefehl erlassen.
  • Gesucht werde ein Asylbewerber aus dem Irak, so Generalstaatsanwalt Hans Strobl.
  • Zwei Tatverdächtige, mutmaßlich aus dem Irak und Syrien, sind bereits in Haft.
  • Die Messerattacke hat eine Welle fremdenfeindlicher Proteste in Chemnitz nach sich gezogen.

Mehr als eine Woche nach der tödlichen Messerattacke auf Daniel H. in Chemnitz ist ein dritter Mann der Mittäterschaft dringend tatverdächtig. "Das Amtsgericht Chemnitz hat heute Vormittag diesen Haftbefehl erlassen", sagte der sächsische Generalstaatsanwalt Hans Strobl im Sächsischen Landtag. Das Amtsgericht habe eine Öffentlichkeitsfahndung nach dem Mann angeordnet. Bei dem Gesuchten handele es sich um einen Asylbewerber aus dem Irak.

Am Sonntag vor einer Woche war es laut Polizeiangaben gegen 3.15 Uhr zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen unterschiedlicher Nationalitäten gekommen. Der 35-jährige Daniel H. erlag noch im Krankenhaus seinen Verletzungen, zwei weitere Männer wurden schwer verletzt. Bei dem Streit waren Messer zum Einsatz gekommen. Zwei 22 und 23 Jahre alte Flüchtlinge sind als Tatverdächtige bereits in Haft.

Ihre Herkunft ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums allerdings nicht restlos geklärt. Die Behörden hatten die beiden stets als Asylbewerber aus Syrien und dem Irak bezeichnet. Das Bundesinnenministerium teilte jedoch am Dienstag mit, dem mutmaßlichen Syrer sei im September 2015 "im schriftlichen Verfahren die Anerkennung als Flüchtling gewährt" worden. Seine Angaben zur Identität beruhten auf einer Selbstauskunft. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sei aktuell dabei, diese Angaben von Alaa S. zu verifizieren.

Der Tatverdächtige Yousif A. habe bei der Anhörung im Asylverfahren im November 2017 einen irakischen Personalausweis sowie weitere Dokumente vorgelegt, die sich später als "Totalfälschungen" entpuppt hätten. Das Ergebnis der dokumententechnischen Überprüfung durch das Bamf lag den Angaben zufolge allerdings erst im Juni 2018 vor. Sein Asylantrag wurde inzwischen abgelehnt. Die Ablehnung ist jedoch noch nicht rechtskräftig.

Wie bereits zuvor bekannt geworden war, war Yousif A. bereits im November 2015 als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Eine Rücküberstellung nach Bulgarien, wo er zuvor registriert worden war, wäre zwar grundsätzlich möglich gewesen. Das dies nicht geschah, ist nach bisherigen Informationen auf Versäumnisse der Ausländerbehörde zurückzuführen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat im Fall Yousif A. Versäumnisse eingeräumt. "Die Kommunikation zwischen der zuständigen Ausländerbehörde und dem Bamf "hätte hier besser sein müssen", sagte Seehofer am Dienstag in Berlin. Die Überprüfung der vorgelegten Dokumente habe "zu lange gedauert". Dies sei darauf zurückzuführen, dass das Bamf über zu wenige hochspezialisierte Dokumentenprüfer verfüge. "Solche Verzögerungen und Fehler müssen wir in der Zukunft verhindern."

In den Tagen nach der Tat kam es in Chemnitz zu zahlreichen Protesten, Kundgebungen und fremdenfeindlichen Aufmärschen. Am gestrigen Montag kamen Zehntausende Zuhörer in Chemnitz zu einem Konzert gegen rechte Hetze, zu dem verschiedene Bands geladen hatten.

Anmerkung der Redaktion

In der Regel berichtet die SZ nicht über ethnische, religiöse oder nationale Zugehörigkeiten mutmaßlicher Straftäter. Wir weichen nur bei begründetem öffentlichen Interesse von dieser im Pressekodex vereinbarten Linie ab. Das kann bei außergewöhnlichen Straftaten wie Terroranschlägen oder Kapitalverbrechen der Fall sein oder bei Straftaten, die aus einer größeren Gruppe heraus begangen werden (wie Silvester 2015 in Köln). Ein öffentliches Interesse besteht auch bei Fahndungsaufrufen oder wenn die Biografie einer verdächtigen Person für die Straftat von Bedeutung ist. Wir entscheiden das im Einzelfall und sind grundsätzlich zurückhaltend, um keine Vorurteile gegenüber Minderheiten zu schüren.

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