Berliner Verkehrsbetriebe:Nahkampf im Nahverkehr

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Eine Frau wirft BVG-Kontrolleuren handgreifliche Gewalt vor. (Foto: Sabine Gudath/imago)

Eine junge Frau landete nach einer Fahrscheinkontrolle im Krankenhaus - es ist bei den Berliner Verkehrsbetrieben nicht der erste Vorfall, der eskaliert.

Von Verena Mayer, Berlin

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind bekannt für ihren Slogan "Weil wir dich lieben" und ihr unkonventionelles Auftreten in eigener Sache. In den sozialen Medien werden Memes und Witze gepostet, man brachte Sneakers heraus, die als Jahreskarte verwendet werden konnten, und zuletzt konnte die Kundschaft sogar einen essbaren Fahrschein erwerben. Der war mit Hanföl beträufelt und wurde mit dem Spruch beworben: "Das Ticket, das dich nicht nur heim, sondern auch runterbringt." Weniger lustige Erfahrungen hat allerdings eine 31-jährige Yogalehrerin gemacht. Eine Straßenbahnfahrt endete für sie vor einigen Wochen mit einer Fahrscheinkontrolle und danach im Krankenhaus.

Was am 18. Januar genau passiert ist - darüber gibt es mehrere Versionen. Die erste stammt von der BVG-Kundin selbst. In einem vierminütigen Video auf Instagram erzählt sie, dass sie in der Straßenbahn M10 kontrolliert und ihr Online-Ticket für ungültig befunden worden sei. Die Kontrolleure hätten sie zum Verlassen der Bahn aufgefordert, draußen an der Haltestelle sollen sie dann handgreiflich geworden sein. Sie habe sich losreißen wollen, wobei einer der beiden Männer ihr den Finger so verdreht habe, dass er brach. Die Frau musste ins Krankenhaus, eine OP war nötig. Sie werde ihre Hand mindestens sechs Wochen nicht bewegen können, erzählt sie, und wisse nicht, wann sie ihren Beruf wieder ausüben kann. Ihr Video endet mit dem Satz, die BVG solle dem Slogan, dass sie ihre Fahrgäste liebe, auch Taten folgen lassen.

Die BVG sagt auf Anfrage, dass sie solche Vorfälle generell sehr ernst nehme. Zu dem aktuellen Fall will sie sich aber nicht äußern, da die Polizei noch ermittle. Man sei aber mit der Frau in Kontakt und habe auch mit dem Straßenbahnfahrer und den beteiligten Kontrolleuren gesprochen. Diese haben offenbar eine andere Erinnerung an den Vorfall - jedenfalls haben sie die kontrollierte Frau ihrerseits wegen Körperverletzung bei der Polizei angezeigt. Es gibt auch ein kurzes Video von dem Vorfall, das ein Zeuge aufgenommen hat. Darin ist der Deutschen Presse-Agentur zufolge zu sehen, wie die Frau sich von den Kontrolleuren entfernt und einer sie am Arm festhält. Sie wehrt sich daraufhin und schlägt ihn auf den Arm.

Fahrgäste brutal traktiert

Tatsache ist, dass Berlins Fahrscheinkontrolleure nicht gerade für ihr diplomatisches Auftreten bekannt sind. Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Zusammenstöße mit Fahrgästen, mehrmals landeten Kontrolleure sogar vor Gericht. So mussten sich 2007 neun Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma, die im Auftrag der BVG unterwegs waren, in einem Prozess verantworten, weil sie Schwarzfahrer mit Schlägen und Tritten verletzt haben sollen. Fünf Fahrgäste traktierten sie der Anklage zufolge dabei derart brutal, dass die Leute Prellungen, Hautabschürfungen und sogar Gehirnerschütterungen erlitten.

Auch die Berliner S-Bahn geriet diesbezüglich immer wieder in die Schlagzeilen. Sie musste 2018 insgesamt 30 Fahrkartenkontrolleure aus dem Dienst abziehen, weil diese in diverse Delikte verwickelt waren. Da gab es Prügelattacken gegen Fahrgäste, ein Student wurde in den Schwitzkasten genommen, das erhöhte Beförderungsentgelt, das die Kontrolleure den Schwarzfahrern abgenommen hatten, landete auch mal in den eigenen Taschen.

Tatsache ist aber auch, dass die Kontrolleure sehr oft selbst Opfer von Übergriffen werden. So wurden der Polizeistatistik zufolge im Jahr 2020 mehr als 500 Fälle aktenkundig, in denen Busfahrer, Kontrolleure oder Wachleute der Berliner Verkehrsbetriebe im Dienst attackiert wurden. Immer wieder stehen in Berlin Menschen vor Gericht, weil sie Kontrolleure verprügelt haben oder bei Fahrscheinkontrollen Messer zückten.

Bei der BVG reagiert man auf solche Eskalationen mit verschiedenen Maßnahmen. Das Personal werde gezielt geschult zu deeskalieren, heißt es bei der BVG, und die meisten der sieben Millionen Kontrollen im Jahr würden daher auch reibungslos ablaufen. Und es gibt ein Pilotprojekt in der U-Bahn: Dort sollen die Kontrolleure, die bislang anonym zu zweit oder zu dritt unterwegs waren, nun gut erkennbare blaue Westen tragen. Dieser Wunsch sei von Fahrgästen gekommen, die sich von den oft salopp gekleideten Menschen, die plötzlich einen Fahrschein sehen wollten, überrumpelt fühlen. Dies solle, heißt es seitens der BVG, zusätzlich deeskalierend wirken.

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