Busunglück in der Schweiz:Tunnel-Tragödie gibt Rätsel auf

Noch vor einer Woche freuten sich die Schüler aus Belgien über "echte Superferien": Der Bus, der im Schweizer Kanton Wallis schwer verunglückte, sollte Kinder von einer Klassenfahrt nach Hause bringen. 28 Menschen starben, darunter 22 Kinder. Die Unfallursache ist weiter unklar - der Fahrer soll nicht übermüdet gewesen sein.

"Der allgemeine Beschluss lautet: Das sind echte Superferien, die wir in diesem Jahr in der Schweiz haben", schreibt ein Lehrer der Lommeler Grundschule Stekske am 7. März in das Internet-Tagebuch der Schulklasse. Am Dienstagabend, eine Woche später, nehmen die Skiferien mehrerer belgischer Schulklassen ein tödliches Ende.

In einem Tunnel nahe Sierre (Siders) im Kanton Wallis verunglückt einer der Busse, die die Kinder vom schweizerischen Val d'Anniviers zurück in die Heimat bringen sollen, schwer. 28 der 52 Insassen sterben, darunter 22 Kinder im Alter von etwa zwölf Jahren und die beiden Busfahrer. Mindestens 24 weitere Kinder müssen mit teilweise schweren Verletzungen in Krankenhäuser gebracht werden. Drei Kinder liegen im Koma.

Die meisten Opfer stammen aus den Orten Lommel und Heverlee in Flandern. Nach Informationen des belgischen Senders RTL-TVI sind sieben Kinder niederländischer Staatsangehörigkeit. Wie der belgische Regierungschef Elio Di Rupo am Nachmittag mitteilte, befanden sich in dem Unglücksbus auch ein Deutscher und ein Pole. Ob es sich dabei um Kinder oder Erwachsene - möglicherweise um die Fahrer des Busses handelte -, sagte Di Rupo allerdings nicht.

Angehörige in Genf eingetroffen

Auch mehr als zwölf Stunden nach dem tragischen Unfall ist die Identität aller ums Leben gekommenen Kinder noch immer nicht geklärt. Wie die Schweizer Zeitung Blick in ihrer Onlineausgabe berichtete, sollen Spezialisten aus Belgien bei der Identifizierung helfen. Die belgische Innenministerin Joëlle Milquet habe die Entsendung eines speziellen Expertenteams angekündigt.

Am Nachmittag trafen außerdem die ersten Angehörigen von Opfern in Genf ein. Ein Airbus aus Brüssel landete nach Informationen der Nachrichtenagentur Belga um kurz nach 15 Uhr. An Bord der Maschine waren auch Psychologen. Mit kleineren Flugzeugen könnten die Familien von dort weiter nach Sitten im Wallis geflogen werden, das nur knapp 20 Kilometer von der Unfallstelle bei Siders entfernt liege.

Übermüdung als Unfallursache?

Die Unfallursache gibt weiter Rätsel auf. Die Schweizer Nachrichtenagentur sda berichtete, der Reisebus, der von Sierre in Richtung Sion (Sitten) fuhr, habe gegen 21:15 Uhr in dem Autobahntunnel zunächst den Randstein gestreift und sei dann frontal in die Nothalte-Nische geprallt. Übermüdung als Ursache des Unglücks sei eher unwahrscheinlich, heißt es in einem ersten Statement des belgischen Verkehrsministeriums.

"Die Fahrer sind am Vortag angekommen und haben den Tag an Ort und Stelle verbracht, bevor sie losgefahren sind", sagte Staatssekretär Melchior Wathelet der belgischen Nachrichtenagentur Belga. "Es sieht so aus, als seien die Bestimmungen über die Fahrzeiten eingehalten worden." Wathelet sagte, es habe sich um "einen Bus der neuesten Generation mit allen empfohlenen Sicherheitseinrichtungen" gehandelt. Dazu gehören auch Sicherheitsgurte.

Dem belgischen Außenminister Didier Reynders zufolge war das Unfallfahrzeug in einem Konvoi mit zwei anderen Bussen unterwegs. Diese seien nicht in den Unfall verwickelt gewesen und hätten ihre Fahrt fortgesetzt. Die Busse gehören der belgischen Gesellschaft Top Tours, die nach Angaben des Verbands FBAA einen sehr guten Ruf hat.

Trauer in Belgien und der Schweiz

Belgien steht nach der Tunnel-Tragödie unter Schock: Regierungschef Elio Di Rupo sprach von einem "tragischen Tag" für sein Land. "Mit Bestürzung" habe er die Nachricht von dem "schrecklichen Unfall" aufgenommen, sagt Di Rupo. Er will noch am Mittwoch in die Schweiz reisen. "Es ist das Schlimmste, was passieren konnte. Es ist unbeschreiblich", sagte Marc Carels, Direktor der Schule Sankt-Lambertus im flämischen Heverlee, dem Fernsehsender VRT.

Auch in der Schweiz löst der Unfall große Bestürzung aus. Das Schweizer Parlament, die Vereinigte Bundesversammlung, hat am Mittwochmorgen der Opfer gedacht: "Wir haben mit großer Bestürzung vom schweren Unglück des belgischen Reisecars im Wallis erfahren", sagt Nationalratspräsident Hansjörg Walter.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach den Betroffenen in Brüssel sein Beileid aus. "Das tragische Ereignis bekommt eine noch dramatischere Dimension dadurch, dass die meisten Opfer Kinder waren."

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