Vor dem Berliner Landgericht geht es an diesem Mittwoch um eine grundsätzliche Frage: Wann ist ein Künstler er selbst? Beziehungsweise: Wie wörtlich kann man nehmen, was ein Gangsterrapper im Lauf seines Lebens von sich gibt?
Anlass ist der Prozess gegen Clanchef Abou-Chaker, der zusammen mit drei Brüdern auf der Anklagebank sitzt. Er soll seinen ehemaligen Businesspartner Bushido bedroht und drangsaliert haben, als der 2017 die Geschäftsbeziehung beenden wollte. Der Rapper mit dem bürgerlichen Namen Anis Ferchichi sagt nun schon den fünften Tag als Zeuge aus. Es geht unter anderem darum, ob er Ende der Neunziger Jahre einem Mann, der mit seiner Ex-Freundin zusammen war, auf der Straße eine Schelle verpasste.

Bushido im Abou-Chaker-Prozess:"Die Geschäfte sollten niemals enden"
Rapper gegen Clanchef: Vor dem Berliner Landgericht vergleicht Bushido sein Verhältnis zu Arafat Abou-Chaker mit einer Zwangsheirat.
Seine Autobiografie? Nie gelesen
Die Verteidiger haben das in Bushidos Autobiografie nachgelesen und in einem Interview, in dem Bushido das 2011 noch einmal wiederholte. Ob er also zur Gewalt neige, fragt ein Verteidiger. Nein, sagt Bushido. Ihm habe damals ein Mädchen das Herz gebrochen, und daraufhin habe er den "Herzschmerz" in dem Buch in einer Art "Wunschvorstellung" verarbeitet. Den Neuen der Ex habe er nicht getroffen und schon gar nicht geschlagen. Sein Buch und auch seine Interviews würden den "Eindruck einer Kunstfigur" wiedergeben, das sei manchmal über- und manchmal untertrieben, es gebe Wahres und Falsches, "das ist ein Produkt, das verkauft werden sollte". Seine Autobiografie habe er zusammen mit einem Ghostwriter verfasst, was darin stehe, wisse er nicht mehr genau, "dazu müsste ich das Buch mal lesen".
Es entspinnt sich ein nicht uninteressanter Diskurs darüber, ob man einen Künstler von seinem Werk trennen könne und wo die Grenze bei einem Gangsterrapper sei, zu dessen Image es lange gehörte, nicht immer den Anschein absoluter Gesetzestreue zu erwecken. Ob das, was er geschrieben und gesagt habe, also eine Art Wirklichkeitskonstruktion sei, fragt ein Verteidiger. Und was man jetzt überhaupt glauben könne?
Bushido sagt, man könne Person und Image bei einem Rapper tatsächlich nicht immer "chirurgisch trennen". Aber jetzt, vor Gericht, stehe er unter Wahrheitspflicht und erzähle die Dinge genau so, wie er sie wahrgenommen haben. "Ich bin der Letzte hier im Saal, der sagen kann, er habe sich immer ans Gesetz gehalten, aber ich habe mich geändert", sagt Bushido. "Ich halte mich an die Regeln und dazu stehe ich." Der Prozess wird kommenden Montag fortgesetzt.