Die durchschnittliche englische Frau misst nach aktueller Datenlage 1,62 Meter, womit sie zwar 13 Zentimeter kleiner ist als Kate, Herzogin von Cambridge, aber zehn Zentimeter größer als Tracey Scholes, Busfahrerin aus Manchester. Die Körpergröße der neuerdings 40-jährigen Herzogin Kate ist zuletzt eher kein Thema gewesen in England, die Körpergröße der 57-jährigen Tracey Scholes dagegen schon. Am Dienstagnachmittag wollten sich in Manchester sogar Demonstranten beim dortigen Busunternehmer versammeln, wegen Scholes und ihrer 1,52 Meter.
Vor ein paar Wochen war publik geworden, dass die Firma Go North West, die seit 2019 den öffentlichen Busverkehr in Manchester betreibt, Scholes gekündigt hatte, weil sie zu klein sei, um die neuen Busse sicher zu fahren. Die britischen Medien berichten permanent über größere und kleinere Einzelschicksale irgendwo im Königreich, und die Geschichte von Tracey Scholes erschien zunächst wie eine jener Lokalpossen, die bald wieder untergehen im Geschichtenmeer. Aber dann wurden ein paar Prominente darauf aufmerksam, Schauspieler der populären Serie "Coronation Street" etwa, und machten sich auf Social-Plattformen für Tracey Scholes stark. Sie war 1987 die erste weibliche Busfahrerin der Region, und dass sie, eine Witwe mit drei Kindern, nach 34 Jahren wegen ihrer Körpergröße rausgeworfen wird: ein Skandal, oder nicht?
Die Unterstützung für Scholes wurde größer, eine Petition wurde gestartet, 25 000 Menschen unterschrieben, die Empörung wuchs. Der freundliche Sprecher des Unternehmens sagt am Dienstag ein bisschen ironisch am Telefon, er sei "geschmeichelt" über das Interesse sogar internationaler Medien.
Sie war die Einzige, die sich beschwerte, sagt der Sprecher
Die Firma ist eines von fünf größeren Unternehmen, die den weitgehend privatisierten öffentlichen Busverkehr im Königreich betreiben. Gerade außerhalb Londons ist der Busverkehr immer wieder ein politisches Thema, schließlich reguliert der Staat Linien und Preise nur in London. Im restlichen Land geht es oft mehr ums Geschäft als um die Grundversorgung, und mehrere Unternehmen haben längst erkannt, dass zum Beispiel die Außenspiegel den Profit schmälern. Es gibt viele enge Straßen in britischen Städten, weshalb es nicht selten vorkommt, dass Busse mit ihren Außenspiegeln irgendwo hängen bleiben. Um die Schäden zu reduzieren, gibt es in Manchester seit Jahren ein Programm, in dem die abstehenden Außenspiegel durch neue, im Bus integrierte Spiegel ersetzt werden. Im vergangenen Jahr waren auch die Busse dran, die Tracey Scholes 25 Stunden die Woche steuerte.
Der Unternehmenssprecher sagt, in Manchester gebe es mindestens noch zwei andere Busfahrer mit Scholes' Körpergröße, nur sie aber habe sich beschwert, dass sie sich wegen der neuen Spiegel so zurücklehnen müsse, dass sie die Pedale nicht mehr erreichen könne. Man habe ihr verschiedene andere Optionen angeboten, unter anderem, dass sie ihre Route morgens im Busbahnhof beginnen könne, wo sie sich einen Bus aussuchen könne, der ihr passe. Das habe sie abgelehnt, wegen der für sie ungünstigen Arbeitszeiten, also habe man ihr einen Job als Schulbusfahrerin angeboten, mit der gleichen Bezahlung. Nur: Schulbusse fahren keine 25 Stunden pro Woche, Scholes hätte also de facto eine Reduzierung ihrer Bezüge hinnehmen müssen. "Loyalität zählt nichts mehr", sagte eine enttäuschte Tracey Scholes der BBC, sie könne es sich nicht leisten, weniger zu verdienen. "Ich werde bestraft, und ich kann nichts dafür."
Sie würde die Busse auch putzen, Hauptsache sie behalte ihren Job, sagte Scholes außerdem. Die Busse putzen? Der Sprecher will das nicht kommentieren, aber man darf annehmen, dass die Gewerkschaften, die längst in Sachen Scholes aktiv wurden, auf ein derartiges Angebot nicht begeistert reagiert hätten. Es habe letztlich keine andere Möglichkeit gegeben, als das Arbeitsverhältnis zu beenden, formuliert der Sprecher. Es gibt wahrscheinlich kein Happy End in dieser Geschichte, diesen Urkonflikt der Gesellschaft, Groß gegen Klein.
Am Dienstag trafen sich die beiden Parteien noch einmal in der Zentrale des Unternehmens in Manchester, was dabei besprochen wurde, dazu wollten beide Seiten zunächst nichts sagen. Die Kündigungsfrist endet am 5. Februar.