Bus-Diebstahl in Italien:Einmal Verona - und nie wieder zurück

Ein internationales Diebesgeschäft: Warum in Italien immer mehr deutsche Reisebusse verschwinden - und wie schnell sie wieder im Verkehr sind.

Katja Riedel

Der Tag, an dem Bernhard Merx vom Glauben abfallen möchte, ist ein Freitag, der Freitag vor Pfingsten. Merx ist Busunternehmer. Sechs Tage lang hat er eine Gruppe Gewerkschafter aus Heidelberg durch Italien kutschiert: Verona, Venedig, das Übliche. Während die Gäste vor der Heimreise noch frühstücken, will Merx den Bus holen, den er außerhalb des Kurorts Abano Terme parken muss, damit Kurgäste sich nicht daran stören. Mit Bauchgrimmen hat Merx also draußen geparkt, gleich neben einem Friedhof.

Reisebus; dpa

Deutscher Reisebus: Begehrtes Diebesgut in Italien.

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Als er an diesem Morgen den Parkplatz erreicht, ist er weg: sein goldmetallfarbener Bus. Und vor dem Hotel stehen 40 Senioren mit gepackten Koffern, die nach Hause möchten. Noch unter Schock eilt Merx zurück ins Hotel. Verständigt die Polizei, bittet darum, den Bus sofort in ganz Europa zur Fahndung auszuschreiben. Doch sein Bus bleibt verschwunden. Und mit ihm die Hälfte von Merx' Lebensunterhalt.

"Bis vor kurzem habe ich es für völlig ausgeschlossen gehalten, dass jemand einen Bus stehlen könnte", sagt Horst Schilling, Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Omnibusunternehmer. "Zwölf Meter und länger, mit Namenszügen beschriftet, so was klaut man doch nicht", dachte er. Jetzt hat ihn die Realität eines Besseren belehrt: Vor allem in Italien werden immer mehr Busse gestohlen, die meisten aus Deutschland und Österreich.

Vor zwei Jahren waren es 120, im vergangenen Jahr 160 - ein Gesamtschaden von mehr als 60 Millionen Euro. Am Karfreitag sind gleich zwei bayerische Busse von einem einzigen Parkplatz in Montecatini Terme in der Toscana verschwunden. Eines der Fahrzeuge ist inzwischen in Griechenland aufgetaucht - jedoch längst nicht bei seinem Besitzer. Die Staatsanwaltschaft hat den Bus beschlagnahmt.

Die Diebe haben meist leichtes Spiel. Auch die Hersteller hatten bisher geglaubt, Busse seien schlechtes Diebesgut - und keinerlei Diebstahlsicherungen eingebaut. Für Busdiebe ist das ein gefundenes Fressen: "Ein gebrauchter Rolls- Royce ist in der Regel nicht so teuer wie ein Reisebus", sagt Horst Schilling. 500.000 Euro Neupreis, das sei normal. Um sich zur Wehr zu setzen, haben Unternehmer sich inzwischen vernetzt, bauen GPS-Ortungssysteme ein - und tauschen simple Ideen aus. Zum Beispiel die eines Busfahrers, der sein Gefährt mit einem Motorrad-Kettenschloss sichert.

"Im Idealfall lässt sich ein Bus zu 80 Prozent sichern", sagt Herbert Gasser. Gasser ist Ermittler der italienischen Verkehrspolizei, von Bozen aus koordiniert er die Jagd auf die Busdiebe. Venedig, Verona, die ganze Toscana, Gardasee, Lago Maggiore - schöne Orte, an die schöne Busse reisen, so Gasser. Und dort schlagen die Täter, vor allem Banden aus dem osteuropäischen Raum, gezielt zu. In der Nacht öffnen sie das Gefährt binnen Sekunden, und wenn der Fahrer am nächsten Morgen merkt, dass der Bus fehlt, sei dieser oft schon in Slowenien. Oder in einer italienischen Werkstatt, in der er in Windeseile umgerüstet wird.

Wütende Busfahrer

Vor wenigen Tagen hat Gasser einen Coup gelandet. Der Bus aus dem rheinland-pfälzischen Lautzenhausen war mit einem Ortungssystem ausgerüstet, das die Täter wohl übersehen hatten. Im Hafen von Venedig stand er, die Aufkleber mit den Schriftzügen waren entfernt, "Rosi Reisen" stand jetzt darauf, mit neuen deutschen Kennzeichen, mit einer neuen Fahrgestellnummer und neuen deutschen Papieren war er ausgestattet. Gasser vermutet deshalb Hintermänner in Deutschland. Nach Syrien sollte der Bus - so wie schon viele, die zuvor mit derselben Spedition und identischem Ziel verschifft worden sind. Der Busklau, sagt Gasser, sei ein internationales Geschäft. Und auch an der Fahndung sind Ermittler verschiedener Nationalitäten, unter anderem aus Deutschland, beteiligt. Auch Versicherungen haben Detekteien auf die Diebe angesetzt.

Bernhard Merx brauchte ein paar Tage, um den Verlust zu realisieren. Musste Aufträge stornieren, seinen Bus abmelden, die Raten aber weiterzahlen. Von der Versicherung hat er einen Restwert bekommen - aber aus dem Plan, im kommenden Jahr einen dritten, neuen Bus zu kaufen, wird jetzt nichts. Er ist jetzt allein, als einziger Fahrer. Und wütend. So sehr, dass er nicht nur die tourismuspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen angeschrieben hat, sondern auch den Europaabgeordneten Thomas Ulmer. Der hat jetzt eine Anfrage an die EU-Kommission gestellt. Und Bernhard Merx wartet: auf Hilfe aus Brüssel.

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