Burg-Herzberg-Festival: "Wenn wir alle Hippies wären - das wäre Chaos"

Hippie-Festival Burg Herzberg

Ausgelassen tanzen: Das tun auf dem Burg-Herzberg-Festival viele.

(Foto: Juri Auel)

Schon ein Jahr vor Woodstock kamen die Hippies auf eine Burg in Hessen. Das Burg-Herzberg-Festival wird 50. Ein Gespräch mit einem der Gründer über brave Landjugend von damals - und die Frage nach dem Vermächtnis der 68er.

Interview von Juri Auel

Einmal im Jahr verwandeln sich ein paar Pferdekoppeln zwischen den hessischen Städten Bad Hersfeld und Alsfeld in eine große Zeitmaschine. Die Burg oberhalb der Weiden gibt dem Ganzen seinen Namen. Zum Burg-Herzberg-Festival reisen regelmäßig bis zu 12 000 Besucher aus aller Welt an, um gemeinsam die Ära der Hippies aufleben zu lassen.

Das Festival gilt als eines der größten in Europa - und der ältesten. Schon ein Jahr, ehe die Hippies Woodstock zu ihrem Symbol machten, wurde in Hessen gefeiert. An diesem Donnerstag wird das Festival 50. Gegründet wurde es von der damals ziemlich erfolgreichen Beat-Band The Petards aus dem kleinen Örtchen Schrecksbach. Drummer Arno Dittrich erzählt, wie er unfreiwillig mithalf, der Hippiekultur in Deutschland den Weg zu bereiten.

SZ.de: Herr Dittrich, wie kommt man auf die Idee, mitten in der osthessischen Provinz auf einer Burg ein Festival für freie Liebe und den Weltfrieden zu veranstalten?

Arno Dittrich: Das war nicht unsere Intention. Meine Band, die Petards und ich, haben Beatmusik gemacht. Wir wollten ein Festival, bei dem wir alle deutschen Rockbands zusammenbringen konnten, ohne Konkurrenzdenken. The Merchants, The Blue Moons oder Guru Guru waren früh dabei. Bei der Band Amon Düül soll auch Udo Lindenberg mitgewesen sein, den ja damals noch keiner kannte. Aber das weiß ich nur vom Hörensagen. Ich selbst bin gar kein Hippie, bin ich nie gewesen.

Sind Sie nicht?

Burg-Herzberg-Festival: Arno Dittrich bei einem frühen Festival, damals noch auf der Burg Herzberg.

Arno Dittrich bei einem frühen Festival, damals noch auf der Burg Herzberg.

(Foto: privat)

Nein, ich wollte einfach nur erfolgreich Musik machen und bin Realist. Die lokalen Jugendlichen, die da waren, sahen für die damaligen Verhältnisse auch noch sehr normal aus. Aber Beatmusik ist eben die Grundlage der Hippiemusik. Deswegen kamen aus den Städten die echten Hippies dazu, so wie man sie kennt - mit Blumenschmuck und langen Haaren. Drogen wurden da auch reichlich konsumiert. Hasch - oder auch andere Sachen.

War das nicht ein Schock für die brave Landjugend?

Nein, man hat die Hippies eher bestaunt als exotische Erscheinungen. Und man hat sich bemüht, sich anzupassen. Es ist schön, dass das alles immer friedlich abgelaufen ist. Damals und heute auch noch. Es ist eine herrliche Atmosphäre dort. Man wundert sich, wie viele Hippies es noch gibt.

Und was hat die Polizei zu dem Ganzen gesagt?

Mein Bandkollege Rüdiger Waldmann hat sich neulich daran erinnert, dass nur ein einziger Polizist mit einem VW Käfer dort war. Dem Armen hatten sie alle vier Reifen zerstochen, als er nach dem Festival zu seinem Auto zurückkam.

Sind das denn alles echte Hippies, die heute zum Burg-Herzberg-Festival kommen?

Nein, viele verkleiden sich als solche. Darunter sind junge Leute, die damals noch gar nicht geboren waren genauso wie alte, die die Zeit in echt mitgemacht haben und an diesem Wochenende mit den typischen Klamotten und der Musik dorthin zurückkehren, um dann am Montag wieder ihr normales Leben zu leben.

Das Festival in Hessen hat Woodstock um ganze 49 Jahre überlebt - auch wenn es etliche Jahre pausieren musste. Wie fühlt es sich an, so etwas mitgegründet zu haben?

Wir konnten ja damals noch gar nicht ahnen, wie sich das entwickeln würde. Es hat angefangen mit 1000 bis 3000 Besuchern. Das erste Festival fand noch in den Mauern der Burg statt. Bühnen ganz nah an einem Abgrund - das ist heute undenkbar. Das Catering haben Leute aus unserem Ort übernommen, es gab geschmierte Schmalzbrote. Meiner Meinung nach war das viel schöner als es heute ist. Woodstock war viel größer und in den Staaten. Aber wir waren die Ersten, die diese Art Festival mit Hippiefeeling in Deutschland veranstaltet haben. Ich bin glücklich und froh, dass ich dabei sein konnte.

In den USA regiert ein Donald Trump, im Bundestag sitzt eine Partei namens AfD. Ist das nicht ein spätes Zeichen dafür, dass die Hippies bei ihrem Ziel, die Welt zu verändern, versagt haben?

Ein Versagen würde ich das nicht nennen. Die Hippiekultur ist eine verträumte Lebensanschauung, die mit der Realität auf Dauer nicht zurechtkommen kann. Wenn wir alle Hippies wären - das wäre Chaos. Die Welt, so wie sie sich die Hippies vorgestellt haben, kann nicht funktionieren. Dennoch: Wenn sie so wie auf dem Burg-Herzberg-Festival heute noch zusammenkommen und friedlich feiern - diese Atmosphäre, die kann man auch als Realist genießen.

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