Bundesverfassungsgericht:Erzwungene Liebe

Muss ein Vater sein nichteheliches Kind sehen, auch wenn er dies nicht will? Mit dieser kniffligen Frage muss sich jetzt das Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen.

Constanze von Bullion

Es ist nicht bekannt, ob Felix P. ein glücklicher Junge ist oder nicht. Er hat jedenfalls Eltern, die ihm das Leben nicht besonders leicht machen. Felix, der in Wirklichkeit anders heißt, ist acht Jahre alt und wohnt in Brandenburg.

Bundesverfassungsgericht: Muss ein Vater sein nichteheliches Kind sehen, auch wenn er dies nicht will?

Muss ein Vater sein nichteheliches Kind sehen, auch wenn er dies nicht will?

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Seine Mutter zieht ihn alleine groß. Seinen Vater hat der Junge noch nie gesehen. Das wäre nicht weiter spektakulär, würde dieser Vater nicht wie ein Löwe darum kämpfen, seinen Sohn keinesfalls kennenlernen zu müssen.

Seit fast vier Jahren schlägt er sich mit Gerichten und mit der Kindsmutter herum, die ihn zwingen will, das Kind regelmäßig zu treffen. An diesem Mittwoch wird der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt.

Eine Geschichte ist das, die auf den ersten Blick so verdreht wirkt, als hätten sich da ein paar durchgedrehte Eltern in einem absurden Rechtsstreit verheddert. Wo Väter sonst in Scharen vor Gericht ziehen, um sich Zugang zu ihren Kindern zu erstreiten, will hier ein Vater sicherstellen, dass sein Kind keinen Zugang zu ihm findet.

Mütter werden oft per Klage unter Druck gesetzt, mehr Kontakte zum Kindsvater zu ermöglichen, als ihnen lieb ist, hier ist es umgekehrt. Es geht nicht um die Anerkennung der Vaterschaft, nicht um Alimente.

Es geht um eine Grundsatzfrage: Kann ein Vater zum Umgang mit seinem leiblichen Kind gezwungen werden?

In Paragraph 1684 Absatz eins des Bürgerlichen Gesetzbuches steht zu lesen, dass Eltern das Recht auf Umgang mit ihren Kindern haben, auch wenn sie getrennt von ihnen leben. Seit der Kindschaftsreform von 1998 steht da aber auch, dass es neben diesem Recht eine Pflicht zum Umgang gibt.

Was dient dem Wohl des Kindes?

Das Kind wurde stärker in den Mittelpunkt gerückt, es hat nun den Anspruch, beide Eltern kennenzulernen und mit ihnen Kontakt zu pflegen. Auf Dauer darf dieser Kontakt nur eingeschränkt werden, wenn das Wohl des Kindes dadurch gefährdet ist.

Was aber dient dem Wohl des Kindes? Es ist wichtig zu wissen, woher man kommt, darüber sind sich viele einig. Die Rechtsstellung von leiblichen, aber abwesenden Vätern ist auch deshalb kontinuierlich aufgewertet worden.

Bei Adoptionsverfahren bemühen die Behörden sich, den Zugang zu den leiblichen Eltern möglichst offen zu halten. Anonyme Samenspenden, bei denen die Spender auch nach Jahrzehnten nicht aufgefunden werden können, sind selten geworden. In vielen Ländern sind sie verboten, weil die Kinder, die daraus entstehen, sich oft eines Tages auf eine angestrengte Suche nach ihrem Erzeuger machen.

Solche Identitätskrisen sind vielleicht vermeidbar. Einerseits. Andererseits gibt es Fälle, in denen keineswegs so klar ist, ob ein Kind seine beiden Eltern unbedingt regelmäßig sehen sollte.

Der Fall von Felix P. aus Brandenburg ist so einer. Seine Mutter, Frau P., hat viele Jahre eine Liebesbeziehung mit einem verheirateten Mann geführt.

Der Mann, Herr B., lebte bei seiner Ehefrau, er hat mit ihr zwei Kinder und hielt die Sache unter der Decke. Seiner Geliebten will er erklärt haben, dass er "keinesfalls eine Schwangerschaft wünsche". So steht es in der Klageschrift.

Weil Herr B. sich in Sachen Verhütung ganz auf Frau P. verlassen hat, ist aus der "geschlechtlichen Beziehung" ein Kind geworden. Herr B. hat Frau P. daraufhin den Rücken gekehrt und verwendet nun viel Energie darauf, seinen Sohn nicht zu sehen, weder vor Gericht noch sonstwo.

"Reserve-Elternteil"

Die Kindsmutter hat ihn deshalb verklagt. In der ersten Instanz hat sie verloren, in der zweiten gewonnen. Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied 2004, das Recht des Kindes auf Umgang mit dem Vater sei von "herausragender Bedeutung" für seine Entwicklung. Es sei nicht zu erkennen, dass ein erzwungener Umgang mit Herrn B. dem Kind schade.

Das neue Umgangsrecht, so die Richter, ziele auch darauf ab, den "Neuaufbau" einer Beziehung zwischen einem abwesenden Elternteil und einem Kind zu fördern und ihn als "Reserve-Elternteil" zu erhalten. Dass das hier nützlich sein könnte, zeige ein Gutachten, in dem festgestellt wurde, dass Frau P. mit der Erziehungsarbeit nicht sonderlich gut zurechtkommt.

Abgeschmettert wurde auch das Argument von Herrn B., seine Persönlichkeitsrechte würden erheblich verletzt und seine Familie werde beschädigt, wenn man ihn zwinge, seinen unehelichen Sohn zu treffen. Offenbar hat seine Frau gedroht, ihn in diesem Fall zu verlassen.

Einer Idealisierung vorbeugen

Die Ehefrau werde das schon verkraften, befanden die Richter, schließlich schaffe sie es auch, Monat für Monat den Unterhalt für den unerwünschten Nachwuchs des Gatten anzuweisen.

Herr B. soll nun alle drei Monate seinen Sohn treffen, tut es aber nicht. Für jeden verpassten Termin droht ihm ein Zwangsgeld von 5000 Euro, deshalb ist er vors Bundesverfassungsgericht gezogen. Wie der Fall ausgeht, gilt als offen.

Drei Oberlandesgerichte, die in Köln, Celle und Hannover, haben ähnlich entschieden wie die Brandenburger. In Berlin und Nürnberg befand man dagegen, schlimmer noch als ein abwesender Vater sei einer, der sein Kind dauernd zurückweist. "Man muss das Kind vor solchen regelmäßige Abfuhren schützen", sagt Edith Schwab, die Bundesvorsitzende des Verbandes für alleinerziehende Mütter und Väter.

Bei der Lobbygruppe "Väteraufbruch" dagegen wünscht man dem störrischen Brandenburger kein Glück vor Gericht. Er sollte gezwungen werden, mit dem Jungen Kontakt aufzunehmen, findet Bundesgeschäftsführer Rüdiger Meyer-Spelbrink. Klarheit sei besser als Ungewissheit. "Abwesende Eltern werden meistens idealisiert und oft ohne Grund zu Helden gemacht."

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