Süddeutsche Zeitung

Unionspolitiker machen Beziehung öffentlich:Liebet einander!

Geht es uns Bürger was an, dass die Abgeordneten Wolfgang Stefinger und Sepp Müller ein Paar sind? Und wie privat ist privat eigentlich in der Politik? Eine Bestandsaufnahme.

Von Martin Zips

Ein wirklich interessanter Aspekt des aktuellen Zeitalters ist, dass man sich permanent Dingen gegenübersieht, die man lieber mit dem Schild "Kein Zutritt, privat" geschützt sähe, aber da wird man gar nicht gefragt.

Also sei auch hier nun mitgeteilt, dass es da zwei sympathische Unions-Abgeordnete gibt, Herrn Stefinger und Herrn Müller, welche gerade ihre gegenseitige Liebe per Twitter öffentlich gemacht haben. Geliebt wurde im Bundestag schon immer, man denke etwa an Wagenknecht und Lafontaine. Höchstwahrscheinlich wurde auch schon gleichgeschlechtlich geliebt.

Gesellschaftlich ist es ein immenser Fortschritt, dass heute jeder seine Gefühle, selbst unter der Reichstagskuppel, völlig frei ausleben und mit anderen teilen kann. Herr Stefinger und Herr Müller haben ihre Botschaften gleichzeitig veröffentlicht, am Montag um 17 Uhr. Verknüpft haben sie diese mit einer kleinen, nicht uninteressanten Recherche ("11 Prozent aller Paare lernen sich am Arbeitsplatz kennen und lieben"), einem Selfie sowie der Botschaft: #loveislove, also: Am Ende sind doch eh alle gleich.

Zum Glück sind es heute nicht mehr nur Rosa von Praunheim, Focus online, Welt-TV oder die Bild-Zeitung, die einem sagen, wer mit wem gerade zusammen ist oder nicht. Ver- und Entliebte können alles selber öffentlich machen, wenn sie das denn mögen. Apropos Focus online: Eine frühere Münchner Journalistin ist derzeit weder mit dem Altkanzler noch mit dem neuen Verteidigungsminister zusammen, aber das entsprechende Interview haben Sie ja sicher auch schon in der Bunten gelesen.

Und ja: Liebe hat immer auch eine politische Dimension. Das wusste bereits Zeus, als er durch die Heirat seiner Schwester Hera die Komponenten Kraft und Güte für immer zusammenführte. Auch Karl der Große wusste das, als er durch seine Hochzeiten mit Himiltrud, Desiderata, Hildegard, Fastrada und Luitgard seine Macht erweiterte. (Obwohl, das sollte man schon erwähnen, Zeus auch was mit Leto, Leda und dem Jüngling Ganymed hatte und Karl mit Madelgard, Gerswind, Regina und Adelind, aber geschenkt.)

Daher noch mal: Alles Gute für Herrn Müller und Herrn Stefinger, bei denen übrigens nur derjenige mit Vornamen Sepp heißt, der nicht in der CSU ist. Sepp Müller, CDU, ist Unions-Fraktionsvize, Wolfgang Stefinger langjähriger CSU-Abgeordneter. Und falls wir uns jetzt noch etwas wünschen dürften: Mehr parteiübergreifende Liebe, das wäre fein! Zumindest, was jene Parteien betrifft, die nicht ständig beleidigt mit dem Fuß auf den Boden stampfen und die Regierungen in Katar, Russland, China und Ungarn eigentlich ganz klasse finden. Eine Überwindung des Fraktionszwangs kann gerade durch Liebe sinnvoll sein, wenn es um den Schutz von Demokratie, Frieden und Freiheit geht. Dafür wären wir dann sogar bereit, bald wieder hinter das Schild "Kein Zutritt, privat" zu blicken.

Aber nur, wenn man uns lässt.

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