Der Bundesgerichtshof (BGH) ist als oberste Instanz zuständig für die Beantwortung wirklich kniffliger Fragen. Über eine davon hat er an diesem Freitag verhandelt, sie lautet: Was genau ist eigentlich eine Hecke? Gartenbesitzer – und nicht nur sie – werden mit dem Kopf schütteln, aber die Richterinnen und Richter vom fünften Zivilsenat wollen es ganz genau wissen. Weil davon, man ahnt es, das Urteil in einem Nachbarstreit abhängt.
Auslöser des Prozesses ist eine Bambushecke, die ein Grundstücksbesitzer in Hessen an die Grenze gepflanzt hat. Das rasant emporschießende Gewächs soll inzwischen bei sechs bis sieben Meter angelangt sein. Zudem verläuft entlang der Grenze eine Aufschüttung mit einer Mauer von einem Meter Höhe. Der Nachbar des Bambusfreunds hat also eine grüne Wand vor Augen, die sich, so erläuterte sein Anwalt, bei Regen bedrohlich herüberneige.
Nun gibt es auch in Hessen ein Nachbarrechtsgesetz, dort steht: Für Hecken von mehr als zwei Meter Höhe gilt ein Grenzabstand von 75 Zentimeter. Das wäre für eine Hecke von, sagen wir, drei Metern völlig in Ordnung. Nur hat der hessische Gesetzgeber kein Wort dazu verloren, ob es auch bei fünf, sieben oder neun Metern bei dem dann doch knappen Abstand bleibt. In Baden-Württemberg etwa gilt eine Regel, wonach der Grenzabstand mitwächst, wenn die Hecke höher wird. Hessens Nachbarrechtsgesetz schweigt dazu, ähnlich übrigens wie in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland, wo ebenfalls keine Maximalhöhe im Gesetz steht.
Es könnte sein, dass auch sieben Meter Höhe erlaubt sind
Und damit kommt der BGH ins Spiel, mit seiner Frage nach der Natur der Hecke: Hört eine Hecke auf, Hecke zu sein, wenn sie zu groß wird? Gelten dann andere Grenzabstände, zum Beispiel jene für stark wachsende Ziersträucher wie die rotblättrige Haselnuss (ein Meter) oder gar für Bäume, die noch mehr Distanz zum Nachbarn halten müssen?
Eine hübsche Definition der Hecke formulierte 2014 das Oberlandesgericht Karlsruhe: „Unter einer Hecke versteht man eine Gruppe gleichartig wachsender Gehölze, die in langer und schmaler Erstreckung in einer Linie aneinandergereiht sind.“ Wesentlich sei Geschlossenheit der Pflanzenkörper – das OLG spricht hier poetisch vom „Dichtschluss“. Aber zur Maximalhöhe findet sich auch dort nichts. In ihrer Not haben diverse Gerichte die Hecke kurzerhand bei drei Metern gedeckelt.
Der BGH schien davon nicht so recht überzeugt zu sein. „Kann es wirklich sein, dass eine Hecke durch Wachstum zur Baumreihe wird und durch Rückschnitt wieder zur Hecke?“, fragte die Senatsvorsitzende Bettina Brückner. Der im Nachbarrecht überaus erfahrene Senat hat bereits über Schwarzkiefern, Eschen und Steineichen geurteilt – und über eine Thujenhecke, sechs Meter hoch: „Das war auch eine Hecke“, sagte Brückner.
Es könnte also sein, dass auch sieben Meter erlaubt sind – das zu korrigieren, wäre dann Sache des hessischen Landtags. Im BGH-Fall gibt es aber doch noch eine kleine Chance für den Nachbarn: In der Verhandlung kam die Frage auf, ob die Bambuswand nicht doch zu nah an der Grenze steht. Gut möglich, dass der BGH das Urteil aufhebt und verfügt, dass noch einmal nachgemessen wird; Ende März wird das entschieden. Dann müsste der Bambus auf zwei Meter heruntergeschnitten werden.