Bundesgerichtshof:Mord auf Wunsch des Opfers ist kein Fall für Milde

Geschäftsmann zerstückelt - BGH prüft bizarren Fall erneut

Bei einem vorherigen Prozess in Dresden wurde der Angeklagte noch zu acht Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt.

(Foto: dpa)
  • Der Bundesgerichtshof hat einen Mann zu lebenslanger Haft verurteilt, weil er einen anderen tötete und die Leiche zerstückelte.
  • Zuvor hatte ein Gericht den Mann zu einer milderen Strafe verurteilt, weil das Opfer getötet werden wollte.
  • Nur in "außergewöhnlichen Umständen" verhängen Richter bei Mord keine lebenslange Haft.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Lange Zeit sah es so aus, als wisse die Justiz nicht so recht, welche Antwort man auf ein derart bizarres Verbrechen geben könne. Zwei Männer verbünden sich zu einem tödlichen Pakt, in dem jeder das Gegenstück der Lustfantasie des anderen ist. Der eine - Beamter im sächsischen Landeskriminalamt - ist von blutrünstigen Tötungsvorstellungen getrieben, der andere wünscht sich nichts sehnlicher, als geschlachtet und aufgegessen zu werden. Kontakt knüpfte man über ein Kannibalenforum, im November 2013 kam es dann in einem Keller im Erzgebirge zur grauenerregenden Tat. Das Opfer wurde erhängt und danach wie im Schlachthaus zerlegt. Der Täter hantierte nackt an der Leiche und filmte sich dabei. Nur der Wunsch des Opfers, verspeist zu werden, blieb unerfüllt.

Im zweiten Anlauf hat der Bundesgerichtshof den Täter nun wegen Mordes verurteilt, und zwar zu lebenslanger Haft. Das klingt selbstverständlich, denn eigentlich lässt der Mordparagraf nach seinem Wortlaut keine mildere Strafe zu. Aber in seltenen Fällen - bei "außergewöhnlichen Umständen" - erlaubt der BGH eine Ausnahme von der klaren Regel. Das Landgericht Dresden meinte, hier sei richterliche Milde angezeigt. Und zwar deshalb, weil das Opfer seit Jahren unbeirrt den dringenden Wunsch hatte, getötet und verspeist zu werden. 2015 verurteilte das Landgericht den Polizisten zu achteinhalb Jahren Haft, nach Aufhebung durch den BGH dann zu acht Jahren und sieben Monaten.

Bei Mord in Notsituationen verhängten Richter eine mildere Strafe

Der BGH hat nun - sehr entschieden - klargestellt: Das ist kein Fall für Milde, sondern einer für lebenslange Haft. Und tatsächlich unterscheiden sich die Morde, in denen die Richter bisher Anlass zu geringeren Strafen sahen, deutlich davon. Vor allem in Notsituationen, in denen sogar ein Mord irgendwie nachvollziehbar erscheinen kann, haben die Gerichte nach Auswegen aus dem starren Lebenslang-Automatismus gesucht.

Das Lehrbuchbeispiel stammt von 1981: Ein Mann vergewaltigte die Ehefrau seines Neffen mit vorgehaltener Pistole. Danach war alles anders - die Ehe drohte zu zerbrechen, die Frau unternahm mehrere Suizidversuche, der gewalttätige Onkel demütigte und bedrohte den verzweifelten Neffen. Dann beschloss der, sich zu wehren, sagte noch "Heute ist sein letzter Tag" - und erschoss ihn beim Kartenspielen. Heimtückischer Mord, ohne Zweifel. Doch der BGH rang sich dazu durch, wegen "außergewöhnlicher Umstände" eine mildere Strafe möglich zu machen.

Überhaupt ist der heimtückisch begangene Mord bisher der einzig wirklich anerkannte Fall für eine Strafmilderung. Klassiker: der Haustyrann. Eine gequälte Ehefrau, jahrelang von ihrem Mann getreten, geschlagen, geohrfeigt, wusste sich nicht anders zu helfen, als ihn im Schlaf zu erschießen. Auch das war aus Sicht der Richter kein Fall für lebenslange Haft - sie wurde zu neun Jahren verurteilt.

Weil es aber unschön ist, wenn Gerichte gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes entscheiden, hatte sich das Bundesjustizministerium vor vier Jahren eine Reform des Paragrafen vorgenommen. Eine Expertengruppe schrieb einen 900-seitigen Bericht - der dann in der Schublade verschwand.

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