Süddeutsche Zeitung

Behörden vermuten rechtsextremen Hintergrund:Döner-Morde und Bluttat an Polizistin hängen zusammen

Die Polizei hat eine Verbindung zwischen zwei der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten zehn Jahre aufgedeckt: Die zwei Bankräuber, die mit dem Mord an einer Heilbronner Beamtin 2007 in Verbindung gebracht werden, könnten auch mit den sogenannten "Döner-Morden" in Beziehung stehen. Die Taten sollen einen rechtsextremistischen Hintergrund haben.

Erneute Wende im Fall "Michele Kiesewetter": Anfang dieser Woche wurden zwei mutmaßliche Bankräuber mit dem Mord an der jungen Polizistin aus Heilbronn in Zusammenhang gebracht. Nun gibt es auch eine Verbindung der Männer zu einer anderen spektakulären Mordserie: den sogenannten "Döner-Morden".

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Die Karlsruher Behörde teilte mit, der Polizistenmord aus dem Jahr 2007 stehe wahrscheinlich in Beziehung mit den Bluttaten an acht türkischstämmigen und griechischen Opfern in mehreren deutschen Städten sowie einer schweren Brandstiftung in Zwickau im November.

"Es liegen zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mordtaten einer rechtsextremistischen Gruppierung zuzurechnen sind", hieß es aus Karlsruhe.

2007 war die 22-jährige Beamtin Michele Kiesewetter am hellichten Tag auf einem Festplatz in Heilbronn erschossen worden, ihr Kollege wurde schwer verletzt. Zwei Jahre lang jagten die Behörden ein Phantom als Täterin: An dem Dienstwagen der Beamten war die DNS-Spur einer unbekannten weiblichen Person gesichert worden. Genmaterial der Frau fand sich deutschlandweit auch an Dutzenden weiteren Tatorten.

Im März 2009 musste die Polizei allerdings eine der größten Ermittlungspannen der Nachkriegszeit eingestehen: Die DNS-Spur stammte von einer 71-jährigen Dame aus Bayern, die in der Firma arbeitete, in der die Wattestäbchen der Polizei abgepackt worden waren.

Am vergangenen Montag entdeckte die Polizei in einem ausgebrannten Wohnmobil im thüringischen Eisenach dann die bis dato verschwundenen Dienstwaffen der Heilbronner Polizisten. Das Fahrzeug gehörte zwei mutmaßlichen Bankräubern: Die 34 und 38 Jahre alten Männer hatten das Wohnmobil in Brand gesteckt und sich anschließend das Leben genommen.

In der Zwickauer Wohnung von Uwe B. und Uwe M. wurde später die Pistole aufgefunden, mit der in den Jahren 2000 bis 2006 die Döner-Morde verübt worden waren. Das gab die Bundesanwaltschaft jetzt bekannt. Eine mutmaßliche Komplizin der Männer, Beate Z., hatte, so der Verdacht der Ermittler, das Wohnhaus der Bankräuber angezündet und war geflüchtet. Nach ihr wurde zwischenzeitlich mit internationalem Haftbefehl gefahndet - am Dienstag stellte sie sich dann.

Auch bei den Döner-Morden kamen der oder die Täter immer am helllichten Tag, schossen ihren Opfern - acht türkischen und einem griechischen Kleinunternehmer - aus nächster Nähe in den Kopf und verschwanden. Drei Morde ereigneten sich in Nürnberg, zwei weitere in München, jeweils ein Mord geschah in Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel. Benutzt wurde immer die selbe Waffe, eine tschechische Pistole der Marke Ceska, Kaliber 7,65.

Auch bei diesen Bluttaten verfolgte die Polizei jahrelang mehrere Theorien - eine heiße Spur gab es jedoch nicht. Zwischenzeitlich war vermutet worden, die Morde seien von der Wettmafia in Auftrag gegeben worden.

Nun scheint jedoch sicher: Sowohl der Heilbronner Polizistinnenmord als auch die Döner-Morde haben einen rechtsextremistischen Hintergrund. Nach den bisherigen Erkenntnissen verfügten die verstorbenen Männer wie auch Beate Z. bereits Ende der 1990er Jahre über Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen.

Gegen die Frau bestehe der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Mord und versuchtem Mord sowie der schweren Brandstiftung. Auch weitere Verdächtige aus rechtsextremistischen Kreisen könnten in die Taten verstrickt sein.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zeigte sich angesichts der jüngsten Erkenntnisse besorgt: Sollte sich der Verdacht auf ein rechtsextremistisches Motiv bestätigen, wäre dies "eine neue Dimension in der Brutalität von Neonazis", sagte der CSU-Politiker in München. Die Hintergründe der Bluttaten müssten nun so schnell wie möglich und restlos aufgeklärt werden.

Aus Kreisen deutscher Sicherheitsbehörden verlautete jedoch, es gebe keinerlei Hinweise, dass sich hierzulande Rechtsextreme nach dem Vorbild etwa der Roten Armee Fraktion (RAF) zu ideologisch motivierten schweren Gewalttaten zusammengeschlossen hätten. "Wir haben bislang überhaupt keine Anzeichen für einen solche strukturelle Gruppe", hieß es. Die Zusammenhänge zwischen dem Mord an der Polizistin und den Döner-Morden seien bislang "absolut mysteriös".

Ob das Zwickauer Trio auch etwas mit dem Mord an einem Polizisten in Augsburg Ende Oktober zu tun, ist indes nicht abschließend geklärt. Die aktuell vorliegenden Spuren deuteten nicht auf einen Zusammenhang hin, sagte ein Polizeisprecher in Augsburg. Aber "ausschließen tun wir nichts".

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