Südkorea:Die Rückkehr des K-Pop

Südkorea: Ein Fan der K-Pop-Band hat sich BTS auf die Maske drucken lassen.

Ein Fan der K-Pop-Band hat sich BTS auf die Maske drucken lassen.

(Foto: Lee Jin-man/AP)

In Seoul geht das Leben nach der Pandemie wieder los. Erstmals seit 2019 treten die K-Pop-Superstars BTS auf. Wie groß ist der Hype noch?

Von Thomas Hahn, Seoul

Als Mitte Februar die Nachricht vom ersten BTS-Heimkonzert seit mehr als zwei Jahren kam, überlegten die Freundinnen Jung Hae-yeon, 28, und Park Su-ha, 29, aus Seoul nicht lange. "Natürlich" mussten sie zu diesem Live-Comeback ihrer weltberühmten Lieblings-K-Pop-Band. Auch wenn der Ansturm auf die Karten groß war. Jetzt sitzen sie vor dem Olympiastadion im Seouler Stadtteil Jamsil auf einer niedrigen Mauer und warten, bis die ersehnte Show losgeht, der erste Akt einer dreiteiligen Konzert-Serie. Sie gehen zu jedem BTS-Auftritt in ihrer Nähe, sagen sie, aber seit Oktober 2019 gab es ja keines mehr in Südkorea. Verdammte Pandemie.

Seoul ist eine Metropole mit fast zehn Millionen Menschen, der Kosmos des K-Pop ist reich, es gibt viele Gruppen, deren Fans mit dem Septett BTS wenig anfangen können. An diesem kühlen März-Donnerstag steht deshalb nicht gleich die ganze Stadt still, nur weil Jin, Jimin, V, Suga, RM, J-Hope und Jung Kook zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie leibhaftig vor ihre Fans treten.

Südkorea: Es herrscht eine Atmosphäre von Freude und Dankbarkeit um die Pinienwäldchen vor dem Stadion.

Es herrscht eine Atmosphäre von Freude und Dankbarkeit um die Pinienwäldchen vor dem Stadion.

(Foto: Kim Hong-Ji/Reuters)

Aber BTS ist auch nicht irgendeine Band, sondern der wohl erfolgreichste Kulturexport Südkoreas, eine Art leibhaftiges Nationalheiligtum. Die Rückkehr der Sieben auf die Bühne ist deshalb keine kleine Sache für das Land, zahlreiche Fans und Journalisten sind gekommen, Wartende tanzen, es herrscht eine Atmosphäre von Freude und Dankbarkeit um die Pinienwäldchen vor dem Stadion. Man spürt die Kraft des K-Pop.

Mitsingen, Kreischen, Aufstehen ist verboten

"Das ist die größte Nachricht in der K-Pop-Industrie", sagt die Reporterin Kim Pu-reum, die für den Sender SBS die Fans befragt, "vielleicht ist es sogar ein Wendepunkt in der Pandemie." Ein Zeichen für bessere Zeiten also, auch wenn es noch Beschränkungen gibt. Nur 15000 Menschen dürfen an diesem Abend in die Arena, in die eigentlich 70000 passen. 750 Sicherheitskräfte sind im Einsatz, um Fans auf Corona-Symptome zu prüfen. Mitsingen, Kreischen, Aufstehen ist verboten. Und die Nachrichtenagentur Yonhap meldete, dass manche Fans ihre harterkämpften Karten verkaufen mussten, weil sie positiv auf Covid-19 getestet worden waren.

Ein Live-Konzert sei halt doch eine ganz andere Erfahrung als virtuelle Shows oder YouTube-Videos, sagt Park Su-ha. "Wir können die Energie der Band spüren, vor allem können wir BTS persönlich erleben. Südkoreas Online-Gesellschaft ist stolz auf ihr schnelles Internet, aber die Schönheit des wirklichen Lebens braucht sie auch. Wahrscheinlich sogar mehr denn je in diesen unberechenbaren Zeiten.

Der Krieg in der Ukraine ist weit weg, dafür ist die abgeschottete Diktatur Nordkorea ganz nah, die zuletzt eine Rakete nach der anderen testete. In Südkorea ist gerade ein neuer Präsident gewählt worden, der Konservative Yoon Suk-yeol, der dem Norden mit Präventivschlägen drohen will. Und wegen der Omikron-Mutante des Coronavirus gibt es gerade täglich 300 000 Neuinfektionen.

Ob sie noch andere K-Pop-Bands mögen? Die Frauen lachen

Ihr Lieblingssong sei "Microcosmos", sagt Jung Hae-yeon, die für das Nationale Gesundheitszentrum arbeitet. In dem heißt es: "Wir scheinen hell in unseren eigenen Räumen, in unseren eigenen Sternen." Solche Zeilen helfen gegen Selbstzweifel und Zukunftsangst. "Sie machen unseren Alltag besser", sagt Jung Hae-yeon. "BTS strahlt immer eine positive Energie aus", sagt ihre Freundin Park Su-ha, die bei einer Marketingagentur angestellt ist. Ob sie noch andere K-Pop-Bands mögen? Sie lachen wie Borussia-Dortmund-Fans, die man gefragt hat, ob sie auch Bayern München gut finden. "Nein. Wir mögen nur BTS."

Südkorea: Es sind vor allem Frauen, alle mit Maske, die BTS live sehen wollen.

Es sind vor allem Frauen, alle mit Maske, die BTS live sehen wollen.

(Foto: Jung Yeon-Je/AFP)

Um kurz nach sieben geht es los. Aus dem Inneren des Stadions dringt jetzt "On" vom 2020-Album "Map of the Soul:7": "Kannst mich nicht unterkriegen, weißt ja, dass ich ein Kämpfer bin." Hinter der Südtribüne, an der unter den Olympischen Ringen ein riesiges BTS-Plakat prangt, lauschen Fans, die keine Karte ergattert haben. Manche filmen mit ihren Handys, wie das erste Feuerwerk in den Himmel schießt. Viele sind gekommen, um wenigstens einen entfernten BTS-Eindruck zu bekommen. Auch viele Ausländer.

Annsophie Müller, 22, und Marlene Stöffel, 29, aus Stuttgart zum Beispiel. "Wir machen unser Auslandssemester hier", Koreanischlernen inklusive. K-Pop gehört zum Soundtrack ihres Lebens. Sie mögen die nahtlose Harmonie der Tänze, die Musik, die Texte. Sie wollten auch Tickets kaufen. "Aber dann haben wir uns dagegen entschieden, nachdem wir auf YouTube in einem Video gesehen haben, wie lang der Prozess ist", sagt Annsophie Müller. So gut sei ihr Koreanisch noch nicht, um alles zu verstehen. Außerdem braucht man einen koreanischen Einwohnerausweis.

Die Fans lauschen der Musik ruhig, fast andächtig. Manche wiegen sich im Takt, andere haben Laptops aufgeklappt, um von draußen den Livestream zu verfolgen. Nur an der Westflanke des Stadions geht es lebhafter zu. Hier kann man zwischen den Betonsäulen und Tribünen ins Innere schauen. Man sieht nichts vom Auftritt der Band, nur Blitze und bunte Lichter, aber die Musik ist fast so laut, als wäre man im Stadion. Hier wird sogar ein bisschen gekreischt und getanzt. Ausgelassenheit in der Dunkelheit.

Nach dem Konzert strömen die Besucher, beziehungsweise vor allem Besucherinnen, Richtung U-Bahn. Es sind fast nur Frauen, alle tragen Corona-Masken, manche dazu große lila Bälle, die anscheinend zur Show gehörten. Irgendwo müssen auch Jung Hae-yeon und Park Su-ha sein. Die Masse hat sie verschluckt, aber man muss sie sicher nicht fragen, wie ihnen der Abend gefallen hat. Sie haben BTS gesehen. Das Leben ist schön.

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