Brust-Entfernung von Angelina Jolie:Problemlösung nach Hollywood-Manier

Angelina Jolie, Tante Brustkrebs gestorben

Angelina Jolie hat mit ihrem Schritt, sich Brustgewebe entfernen zu lassen, Aufregung ausgelöst.

(Foto: AFP)

"Zwei kleine Narben" seien von dem Eingriff geblieben, schreibt Angelina Jolie, "sonst nichts". Nachdem sie ihre Brüste entfernen ließ, um das Krebsrisiko zu senken, spricht die Schauspielerin davon, ihr "normales Leben" wieder aufnehmen zu können. Für viele Betroffene ist das eine unrealistische Vorstellung.

Von Jana Stegemann

Angelina Jolie halbnackt. Die Schauspielerin hat den Kopf weit zurückgeworfen, die Augen geschlossen. Ein weißes Pferd knabbert spielerisch an ihrer nackten linken Brust. Star-Fotograf David LaChapelle hat das Foto 2001 auf einer Wiese in Los Angeles aufgenommen. Jolie war zarte 25 Jahre alt, trug nichts als eine weite Stoffhose und auf dem linken Oberarm prangte ein Tattoo: eine Schlange und darüber "Billy Bob", der Name ihres damaligen Mannes.

Jetzt wird das Bild vom Londoner Auktionshaus Christie's versteigert. Seit dem Shooting sind zwölf Jahre vergangen. Von dem Mann trennte Jolie sich 2003, vom dem tätowierten Liebesbeweis kurz danach. Ihre Brüste ließ sich die Oscar-Preisträgerin vor etwa einem Monat entfernen.

Die Angst vor Krebs sei der Grund ihrer Entscheidung gewesen, berichtete die Schauspielerin jetzt in einem sehr persönlichen Beitrag auf Seite 25 der New York Times. Der Text ist mit dem Titel "My Medical Choice" ("Meine medizinische Entscheidung") überschrieben und sorgt seit dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung für weltweites Aufsehen.

Natürlich: Angelina Jolie ist nicht die erste Schauspielerin, die sich Brustgewebe hat entfernen lassen. Auch Christina Applegate, Sharon Osbourne und die diesjährige "Miss America"-Kandidatin, Allyn Rose, haben eine Mastektomie vornehmen lassen. Doch die kurvige Jolie ist weltweit bekannt als Übermutter, Sexsymbol und Gutmensch und ruft daher ein noch größeres Echo hervor. Brustkrebs in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken scheint nach dem Eingriff ihr Ziel gewesen zu sein.

Die dreimonatigen medizinischen Vorbereitungen und die Operation Ende April in der "Pink Lotus Breast Center"-Klinik in Beverly Hills habe sie geheim gehalten, aber jetzt gehe sie an die Öffentlichkeit, damit "andere Frauen von meinen Erfahrungen profitieren können", schreibt Jolie in der NYT.

Ihr offener Umgang mit dem langwierigen Eingriff mag weltweit Bewunderung auslösen. Doch zulässig sein muss auch die Frage, ob sie mit ihren Aussagen das richtige Signal setzt. Kann man trotz einer Mastektomie und einer anschließenden Rekonstruktion nach nur einer Woche mit seinem "normalen Leben" weitermachten - wie Jolie behauptet? Bleibt Mommy nach einer solchen Operation tatsächlich "diesselbe wie immer"? Bleiben nach einem solchen Eingriff wirklich nur "zwei Narben", die für Kinder nicht "unangenehm" sind?

Krebserkrankungen bei prominenten Frauen

Die Schauspielerin selbst malt alles in positiven Farben: "Ich fühle mich nicht weniger weiblich. Ich fühle mich gestärkt dadurch, eine Entscheidung getroffen zu haben, die meine Weiblichkeit nicht vermindert." Das mag aufmunternd und positiv klingen, aber auch nicht wirklich authentisch. Denn durch eine solche Operation wird eine Frau eines sehr bedeutenden Teils ihrer Weiblichkeit beraubt.

Gravierende Eingriffe in den Körper sind nicht einfach zu verarbeiten - auch wenn Angelina Jolie versucht, genau das ihren Leserinnen ein Stück weit weiszumachen. Es mögen die besten Absichten hinter ihrem New York Times-Beitrag stecken, doch er erinnert an die Erfahrungen, die Sylvie van der Vaart nach ihrer Brustkrebserkrankung machte.

Die blonde Moderatorin setzte sich mit Langhaarperücke in Talkshows, ging mit ihren raspelkurzen Haaren auf rote Teppiche und strahlte und lächelte noch mehr als vorher. Der Fratze der Krankheit stülpte sie ihr Strahlefrau-Image über. Öffentlichkeitswirksam ließ sie sich kurz nach der Chemotherapie im Bikini auf einer Yacht fotografieren. In einem Interview mit Süddeutsche.de gab van der Vaart damals jedoch zu, dass all das weniger leicht war als es aussah: "Ich habe immer gesagt, dass es schwierig war. Aber das bedeutet nicht, dass man nicht arbeiten kann. Meine Arbeit ist Showbiz: Und wer will beim Supertalent ein weinendes Jury-Mitglied sehen? Keiner."

Schauspielerin Christina Applegate hingegen gab unumwunden zu, nach der Entfernung ihrer Brüste 2008 in Depressionen gefallen zu sein: "Ich hatte einen totalen emotionalen Kollaps. Ich habe zuerst gar nicht wahrgenommen, was mit mir passiert. Doch dann war ich in meinem Innersten erschüttert."

"Es wird eine große Fläche Gewebe abgelöst"

Wie betroffene Frauen mit ihrer Krankheit und einer Mastektomie umgehen, sollte nicht von Außenstehenden beurteilt werden. Denn nach dem Eingriff ist nichts mehr wie es einmal war.

"Mommy" ist nicht mehr dieselbe und wird es auch nie wieder sein. Die Wunden heilen, die Narben verblassen, doch es ist utopisch, eine knappe Woche nach der Abnahme der Brüste ins "normale Leben" zurückzukehren, wie Jolie schreibt. Egal wie stark die Psyche einer Frau ist, egal wie gut sie von ihrer Familie und Freunden unterstützt und aufgefangen wird. Ein solcher Eingriff braucht Zeit und Raum im Leben einer Frau.

"Es ist ein mutiger Schritt von Angelina Jolie, aber es sollte nicht vergessen werden, dass die Operation mit zahlreichen Risiken verbunden ist. Es wird eine große Fläche Gewebe abgelöst, die Wundfläche ist enorm", sagt Daniel Haidinger vom Verein "Brustkrebs Deutschland". Jolies Äußerungen in der NYT zu dem Eingriff seien sehr positiv gedacht und formuliert, doch "der Eingriff in das Privatleben einer Frau ist enorm und das Körpervertrauen muss völlig neu aufgebaut werden". Langzeitfolgen und -beeinträchtigungen seien keine Seltenheit, sagte Haidinger .

Angelina Jolie will weitermachen wie immer. Sie engagiert sich für humanitäre Projekte, ist Sonderbotschafterin für das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) und momentan Sondergesandte des UN-Flüchtlingshochkommissars António Guterres. Ihre Großfamilie mit drei leiblichen Kindern wird komplettiert durch die Adoptivkinder Maddox aus Kambodscha, Zahara Marley aus Äthopien und Pax Thien aus Vietnam. Ach ja - eine gefragte Hollywood-Schauspielerin ist Jolie auch noch.

Den Schritt an die Öffentlichkeit mag sie mit besten Absichten gewagt haben - doch manchen ist all das viel zu viel des Guten. "Jetzt ist sie wohl offiziell eine Heilige?", fragt ein User unter der Meldung in dem bekannten feministischen Blog Jezebel. Dass sich viele betroffene Frauen in Jolies Umgang mit diesem Eingriff wiedererkennen, bleibt anzuzweifeln. Insbesondere in Amerika, wo Millionen Frauen ohne Krankenversicherung leben und sich eine solche Operation mit anschließender Rekonstruktion ihrer Brüste in einer vornehmen Klinik durch die besten Speziailsten des Landes gar nicht erst leisten können.

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