Brückeneinsturz in Genua:Autobahnbetreiber soll Kosten für neue Brücke tragen

  • Die italienische Regierung verlangt nach dem Brückeneinsturz in Genua Aufklärung vom Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia.
  • Das Unternehmen soll zudem die Kosten für den Bau eines neuen Viadukts übernehmen. Die Politik verspricht, dass Genua bis 2019 eine neue Autobahnbrücke bekomme.
  • Nach Einschätzung eines Experten liege die Unfallursache möglicherweise bei einem gerissenen Tragseil.
  • Drei Tage nach dem Unglück gibt es kaum Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Zehn Menschen gelten noch als vermisst.

Die italienische Regierung hat nach dem Brückeneinsturz in Genua eine Überprüfung des Autobahnbetreibers Autostrade per l'Italia gestartet. Das Unternehmen habe 15 Tage Zeit, um nachzuweisen, dass es alle vertraglichen Verpflichtungen erfüllt habe, um eine ordnungsgemäße Funktion der Brücke zu gewährleisten und Unfälle zu verhindern. Das erklärte das Verkehrsministerium am Donnerstag.

Der Präsident der Region Ligurien, Giovanni Toto, und Verkehrsstaatssekretär Edoardo Rixi erklärten laut Nachrichtenagentur Ansa, Genua werde bis 2019 eine neue Autobahnbrücke haben. "Die Gesellschaft Autostrade wird sie bezahlen. Wer sie baut, werden wir abwägen", sagte Rixi.

In der neuen italienischen Regierung zeigen sich unterdessen erste Differenzen, wie weiter vorzugehen sei. Der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung und Minister für Wirtschaftliche Entwicklung, Luigi Di Maio, bekräftigte am Donnerstagabend im Fernsehsender La7, man werde dem Autostrade per l'Italia nicht nur die Lizenz für die Autobahn entziehen, sondern auch eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro verhängen und dafür vor Gericht ziehen, falls nötig.

Der Innenminister und Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, sagte hingegen, er wolle vom Betreiber "alles, was möglich ist" für die Angehörigen der Opfer, die Verletzten und die nun Obdachlosen bekommen. "Über Konzessionen, Strafen und Spitzfindigkeiten reden wir von kommende Woche an", zitierte ihn Ansa. Aus Sicherheitsgründen waren in Genua insgesamt 13 Wohnhäuser evakuiert worden. 558 Menschen verloren der Präfektur zufolge ihr Zuhause. 117 seien in Hotels oder bei Privatleuten untergebracht.

Probleme mit Tragseilen schon 2017 bekannt

Sollten die Auskünfte als unzureichend eingestuft werden, wäre dies ein Bruch der Konzessionsbedingungen. Die Muttergesellschaft Atlantia wurde aufgefordert, sofort den Wiederaufbau der Brücke auf eigene Kosten anzugehen. Auch für den Wiederaufbau der unter der Brücke zerstörten Gebäude müsse Atlantia aufkommen. Das Unternehmen wird von der Familie Benetton kontrolliert. Es besitzt 88 Prozent der Anteile am größten Betreiber mautpflichtiger Straßen in Italien. Die Regierung macht Autostrade per l'Italia für das Unglück verantwortlich. Das Unternehmen versicherte bisher, seinen Wartungspflichten stets nachgekommen zu sein. Nach Einschätzung eines Experten liege die Unfallursache möglicherweise bei einem gerissenen Tragseil. "Dies ist eine ernste Arbeitshypothese, aber nach drei Tagen ist es nur eine Hypothese", sagte Antonio Brencich, Professor für Stahlbetonbau an der Universität Genua am Freitag vor Journalisten. Die Zeitung "La Repubblica" berichtete ebenfalls am Freitag, dass eine von der Firma in Auftrag gegebene Studie schon 2017 Schwächen an den Tragseilen der Brücke entdeckt habe.

Obwohl noch immer nach Überlebenden gesucht wird, besteht fast drei Tage nach dem Unglück kaum noch Hoffnung. Bei dem Einsturz der Brücke waren am Dienstag nach bisherigen Erkenntnissen mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Die Retter suchten die ganze Nacht zum Freitag nach weiteren Opfern, da mindestens zehn Menschen noch vermisst werden. Die Suche konzentrierte sich auf die Trümmer eines Brückenpfeilers am linken Polvecera-Ufer. Am Samstag soll um 11.30 Uhr ein Staatsbegräbnis für die Opfer stattfinden. Laut italienischen Presseberichten vom Freitag wollen die Angehörigen von 17 der 38 Opfer aus Ärger über die Regierung in Rom nicht teilnehmen.

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