Süddeutsche Zeitung

Britisches Königshaus:Herzogin Kate ist die Neue in Wimbledon

64 Jahre lang war die Queen Schirmherrin des prestigeträchtigen Tennisturniers. Dabei war sie selbst erst wenige Male dort - im Gegensatz zu ihrer Nachfolgerin.

Von Lea Kramer

Was ist passiert?

"Ich wünschte, ich würde mich für Tennis interessieren. Das Spiel ist sicherlich nicht schwierig zu kapieren. Ich wäre ganz bestimmt ein anderer als ich's jetzt bin. Es wäre unbedingt ein Leben mit mehr Sinn." Zeilen aus dem gleichnamigen Lied von Tocotronic. Ein Motto, das nicht nur für linke Indie-Rocker, sondern auch für royale Persönlichkeiten gilt.

Erstaunlicherweise ist auch das Staatsoberhaupt im Vereinigten Königreich, Queen Elizabeth II., keine glühende Tennis-Verfechterin. Trotzdem ist sie seit dem ersten Jahr ihrer Regentschaft im 1952 Schirmherrin der Wimbledon Championships. Jetzt, nach 64 Jahren, hat sie den Posten abgegeben. Nachfolgerin wird, für royale Experten zugegebenermaßen nicht sonderlich überraschend: Herzogin Kate von Cambridge.

Warum uns das trotzdem interessiert?

Das Turnier zählt zu den prestigeträchtigsten der Welt. Neben den Australian, French und US Open ist es eines der vier wichtigsten im laufenden Tennisjahr.

Nicht nur sportlich, auch historisch ist die Veranstaltung für Großbritannien von großer Bedeutung. Schließlich sind die Briten überzeugt, dass nicht nur die Erfindung des Rasenmähers (Edwin Budding, 1830), sondern auch der Armee-Offizier Walter Clopton Wingfield maßgeblich zur Popularität der Ballsportart aus dem Londoner Vorort Wimbledon beigetragen hat. Erstmals wurde das Großereignis im Jahr 1877 vom "All England Lawn Tennis and Croquet Club" veranstaltet. Damit ist es das älteste Tennisturnier der Welt. In der Zwischenzeit hat sich ein fast mystisch zelebriertes Regelwerk um den Wettkampf entsponnen, der 1985 auch den damals erst 17-jährigen Boris Becker auf einen Schlag zur Tennislegende machte.

Gemäß der Tradition müssen die Spieler auch heute in nahezu komplett weißer Kleidung auf den Court. Der Rasen ist im Gegensatz zu anderen Spielflächen immer noch aus echtem Gras. Männer betreten ihn und werden zu Gentlemen, Damen zu Ladies.

Was hat die Königliche Familie damit zu tun?

Der erste königliche Besucher der mehrtägigen Veranstaltung war Georg V. im Jahr 1907. 15 Jahre später erhielt das Königshaus mit der Royal Box eine feste Loge in den Besucherrängen. Sie hat 74 Sitze, die den Gästen der Windsors vorbehalten sind. Noch bis vor zehn Jahren mussten die Gewinner sich dort vor den Anwesenden verbeugen.

Im selben Jahr, in dem sie 1952 den Thron bestieg, wurde Queen Elizabeth II. Schirmherrin von Wimbledon. Besucht hat sie das Sportereignis nur selten. Trophäen überreichte sie im Jahr 1957 und 1962. Am ersten Juli 1977 sah sie das Finalspiel der Britin Virginia Wade gegen die Niederländerin Betty Stöve. Wade gewann und ist damit die letzte britische Wimbledon-Siegerin. Erst nach 33 Jahren kehrte Königin Elizabeth als Gast in das legendäre Stadion zurück. Das war 2010 und ihr letzter Besuch in Wimbledon.

Seit 2003 ist Edward, ihr Cousin und Duke von Kent, der Präsident der Ausrichterorganisation. Er ist derjenige, der den Siegern der Einzelwettkämpfe die Trophäen überreicht. Die weiblichen Gewinner ehrte bis 2001 seine Frau. Im kommenden Jahr könnte Herzogin Kate den sogenannten Rosewater Dish, einen silbernen Teller, an die Damen übergeben.

Und was macht die Queen jetzt?

Insgesamt hat Elizabeth II. 25 ihrer mehr als 600 Schirmherrschaften abgegeben. Es ist ein großer Vertrauensbeweis, dass das Prestige-Patronat an die Frau ihres Enkels Prinz William geht. Möglicherweise bringt die Queen, seit dem Tod von Thailands König Bhumibol mit 90 Jahren im Amt die am längsten regierende Monarchin der Welt, langsam eine Nachfolgerin in Position.

Ihren Namen für gemeinnützige Projekte herzugeben, sieht Queen Elizabeth II. als eine der vordringlichsten Aufgaben für die königliche Familie. Die Tätigkeit für das Gemeinwohl erhöht die Akzeptanz des Königshauses innerhalb der britischen Gesellschaft.

Herzogin Kate ist im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin übrigens tennisbegeistert. Regelmäßig verfolgt sie die Spiele des aktuell Weltranglisten-Ersten Andy Murray. Seit 2013 ist die 34-Jährige Ehrenmitglied des All England Clubs. Auf ihrem Anwesen in Anmer Hall in Norfolk fordert sie ihren Mann regelmäßig auf dem privaten Tennisplatz heraus. Sogar George, der dreijährige Sohn des Paares, soll schon einen eigenen Tennisschläger besitzen. Dem sagen dann vielleicht in ein paar Jahren alle: "Deine Eltern sind auf einem Tennisturnier? Danke für die Party!"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3304317
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/lkr/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.