Britische Touristen in Spanien:Junggesellenabschied brutal

Im spanischen Badeort Benidorm herrscht Entsetzen. Eine Gruppe britischer Touristen bezahlt einen polnischen Obdachlosen dafür, sich den Namen des Bräutigams auf die Stirn tätowieren zu lassen.

Von Oliver Klasen

Man kann als vernunftbegabtes Wesen Junggesellenabschiede schon an sich peinlich, geschmacklos und eklig finden: das Saufen um des Saufens willen. Eine Gruppe von Männern (oder von Frauen, das macht es nicht besser), die T-Shirts tragen, auf denen etwa "Letzter Tag in Freiheit" steht. Dieses spießige, traurige Verständnis von Ehe und Partnerschaft, das eines aufgeklärten Menschen im 21. Jahrhundert unwürdig ist.

Doch was, so berichten es übereinstimmend mehrere britische und spanische Medien, im Touristenort Benidorm an der Costa Blanca passiert sein soll, überschreitet nicht nur Geschmacksgrenzen. Mehrere Männer, die dort in der vergangenen Woche eine sogenannte Stag Night feierten, so heißt es in den Berichten, sollen einem Obdachlosen 100 Euro geboten haben, wenn dieser sich den Namen des Bräutigams eintätowieren lassen würde.

"Jamie Blake, North Shields, NE28", das sollte auf der Stirn des 34-jährigen Mannes stehen. Tatsächlich soll er in Begleitung der Männer ein Tattoo-Studio in dem Ferienort aufgesucht haben. Doch die Tätowierung wurde wohl nicht vollständig gestochen, weil die Schmerzen an dieser empfindlichen Körperstelle zu extrem waren. Im Guardian heißt es, dass das Tattoo-Studio selbst ein mittlerweile nicht mehr abrufbares Foto von der Aktion auf Facebook gepostet habe. Ohnehin wirft der Fall Fragen nach der Verantwortung des Tätowierers auf, der solch einen Auftrag ausführt.

In Benidorm ist nun eine Debatte über das Verhalten britischer Touristen in Gang. Sie sind die größte Besuchergruppe dort. Früher ein Fischerdorf, hat Benidorm offiziell nur 70 000 Einwohner. Doch während der Hochsaison halten sich hier so viele Menschen auf, wie München Einwohner hat. Wenn ein Symbolbild gesucht wird für die Auswüchse des Massentourismus, dann werden oft die Bettenburgen von Benidorm gezeigt - riesige, in die Jahre gekommene Hotelanlagen, oft von minderer Qualität, ausgerichtet auf Badeurlauber, die vor allem Party, Alkohol und schnellen Sex suchen. Ähnlich wie in Magaluf auf Mallorca, ebenfalls ein Touristenort, der vor allem von Briten frequentiert wird, bemühen sich die Behörden in Benidorm zumindest, die wildesten Exzesse einzudämmen. In den vergangenen Jahren haben sie versucht, hochwertigere Hotels anzusiedeln und eine zahlungskräftigere Kundschaft anzulocken. Im Stadtrat wurde im April eine Art Verhaltenskodex für Touristen erarbeitet: "Antisoziales Benehmen", etwa übermäßiges Trinken in der Öffentlichkeit, soll künftig mit hohen Strafen belegt werden. Alles Maßnahmen, um das Billigimage loszuwerden.

Summer Holiday Season Begins And Tourists Flock To The Beaches In Spain

Seelenloser Massentourismus: In der Hochsaison wächst die Zahl der Bewohner des Küstenorts Benidorm von knapp 70 000 auf mehr als eineinhalb Millionen.

(Foto: David Ramos/Getty Images)

Eine, die auch gegen dieses Image ankämpft, ist Karen Maling Cowles, die Präsidentin eines Verbandes von britischen Hoteliers und Geschäftsleuten, die in Benidorm tätig sind. Sie hat sich nach dem Vorfall mit dem Tattoo zu Wort gemeldet. "Unser Verband ist - wie viele Touristen - angewidert von diesem Verhalten. Es ist schrecklich, die Situation eines Mannes in dieser Art auszunutzen und ihm ein wenig Geld hinzuwerfen, damit man sich selbst lustig über ihn machen kann", so die Unternehmerin.

Als sie von dem Fall erfuhr, recherchierte Cowles und spürte den Mann schließlich auf. Sie fand ihn schlafend am Strand und unterhielt sich mit ihm, wie es in einem Bericht des Guardian heißt. Auf Anfrage der SZ war sie nicht zu erreichen. Der Mann, der in allen Berichten nur "Tomek" genannt wird, soll erzählt haben, er sei Alkoholiker, habe nach einem heftigen Streit mit seiner Freundin seine Heimat verlassen und sei zu Fuß aus Polen nach Benidorm gekommen. Von den 100 Euro, die ihm die Männer gegeben hatten, sei ihm nicht mal alles geblieben. Den Großteil habe er zwar für Essen und Trinken ausgegeben, doch 17 Euro seien ihm gestohlen worden, als er am Strand von einer Gruppe Unbekannter überfallen wurde.

Der auf der Stirn des Opfers mit seinem Namen verewigte Bräutigam wiederum stellt die Geschichte anders dar. In einem Interview mit der britischen Zeitung Newcastle Evening Chronicle erklärte Jamie Blake jetzt, er könne sich nicht an jedes Detail des Abends erinnern. Er sei zu betrunken gewesen und deshalb gebeten worden, die Bar, in der er mit etwa 30 Freunden gefeiert habe, zu verlassen. Er sei jedoch sicher nicht mit in dem Tattoo-Studio gewesen, und seines Wissens habe Tomek auch kein Geld erhalten. Obdachlos sei der Mann überdies auch nicht. Er wohne zusammen mit einem Freund von Blake in einer Wohnung.

British Tourism In Benidorm

Zunächst wird sich weder für britische Reisende was ändern, die an Europas Strände wollen, noch für EU-Bürger, die etwa nach Cornwall möchten.

(Foto: Matthew Lloyd/Bloomberg)

Verbandschefin Cowles sammelt nun mit anderen britischen Geschäftsleuten in Benidorm Geld, damit sich Tomek das Tattoo wieder entfernen lassen kann. Mehr als 2400 Euro waren bis Mittwochabend auf einer Online-Spendensammel-Seite zusammengekommen, begleitet von vielen Kommentaren, in denen Menschen aus aller Welt dem Mann ihr Mitgefühl aussprechen. "Diese Männer repräsentieren nicht Großbritannien", versichert hier einer der Spender. Mehrere Tattoo-Studios boten sich zudem an, dem Polen bei der Entfernung des ungewollten Tattoos zu helfen.

Bemerkenswert an dieser ohnehin schon kuriosen Geschichte ist schließlich, dass der vermeintliche Junggesellenabschied am Ende gar keiner war. Wie Blake in dem Interview erzählte, habe sich seine Partnerin noch vor der geplanten Hochzeit von ihm getrennt. Seine Freunde aber hätten entschieden, die diesem Anlass gemäße Sauftour trotzdem durchzuziehen.

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