Tierquälerei in Großbritannien:Er suchte gezielt nach entlaufenen Katzen

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Steven B. suchte im Internet, wie man Katzen tötet, und las Suchanzeigen für vermisste Tiere.

(Foto: imago stock&people/imago/Nature Picture Library)

In Brighton hat ein Mann 16 Katzen mit einem Messer attackiert, neun tötete er. Ein Fall, der im tierlieben Großbritannien besondere Bestürzung hervorruft.

Von Alexander Menden

Tierliebe geht den Briten über alles. Großbritannien war das erste Land der Welt, das eine eigene Institution zur Wahrung des Tierwohls gründete - die Society for the Prevention of Cruelty to Animals, also die Gesellschaft zur Vermeidung von Grausamkeit gegen Tiere, gibt es schon seit 1824. Darum führt alles, was mit Tierquälerei zu tun hat, zu besonderer Empörung im Vereinigten Königreich. Bis heute ist es beispielsweise schwierig, auf der Insel Kalbfleisch zu verkaufen, weil der Produktionsprozess bei diesem als besonders grausam gilt. Haustiere nehmen natürlich einen besonderen Platz in den Herzen der Briten ein - Palmerston, die offizielle Katze des Außenministeriums, hatte mehr als 100 000 Follower auf Twitter, als sie im vergangenen Jahr in den Ruhestand ging.

Daher fiel die öffentliche Reaktion auf den Fall des Katzenmörders von Brighton vor zwei Jahren auch besonders heftig aus. Zwischen Oktober 2018 und Juni 2019 waren im südenglischen Küstenort Brighton 16 Katzen mit einem Messer attackiert worden. Neun der Tiere erlagen damals ihren Verletzungen, sieben überlebten. Im vergangenen Juni erklärte ein englisches Strafgericht einen 54-jährigen Security-Wachmann, Steven B., dieser bizarren Verbrechensserie für schuldig.

Eine Haustierbesitzerin in dem Fall beschrieb während des Prozesses den Moment, in dem sie im November 2018 ihren elfjährigen Kater Gideon blutend vorfand. "Man konnte zusehen, wie das Leben aus ihm entwich", sagte sie laut BBC News aus. "Ich hatte sofort den Verdacht, dass es sich um eine Stichwunde handelte." Gideon erholte sich schließlich von seiner zwei Zentimeter tiefen Verletzung. Die Tierarztrechnungen für seine Behandlung beliefen sich auf umgerechnet mehr als 1800 Euro.

Obduktion durch einen Fachtierarzt

Monatelang tappte die Polizei der Grafschaft Sussex völlig im Dunkeln, weil es keine Zeugen gab. Erst nach mehreren Vorfällen war überhaupt klar, dass es sich um mutwillige Verwundungen durch einen menschlichen Täter handelte. "Wir schickten zwei der toten Katzen zwecks Obduktion zu einem Fachtierarzt am Royal Veterinary College", erklärte Inspektor Chris Thompson nach dem Prozess der Lokalzeitung The Argus. "Er stellte fest, dass zumindest eins der Tiere auf jeden Fall absichtlich mit einem scharfen Gegenstand gestochen worden war." Die Angriffe hatten sich in einem relativ begrenzten Areal innerhalb Brightons abgespielt, die meisten rund um die Preston Road.

Der Durchbruch in den Ermittlungen erfolgte im Mai 2019 dank einer Überwachungskamera, die ein Anwohner aufgestellt hatte, nachdem seine Katze ein Jahr zuvor getötet worden war. Der Film zeigt Steven B., wie er sich zu einem Kater namens Hendrix hinabbeugt, anscheinend, um ihn zu streicheln. Dann nimmt er etwas aus seinem Rucksack und sticht nach dem Tier. Hendrix rennt weg. Später erlag der Kater seiner schweren Verletzung.

Steven B. wurde identifiziert und verhört. In seinem Haus entdeckte die Polizei ein Messer mit Katzen-DNA an der Klinge und der DNA des Täters am Griff. Auf seinem Computer hatte er zudem wiederholt auf eine Website zugegriffen, auf der Bürger der Stadt Suchanzeigen nach verschwundenen oder entlaufenen Katzen aufgeben konnten. Eine dieser Katzen war unter seinen Opfern gewesen, ihr Profil sah er sich besonders häufig an. Er hatte sich offenbar auch zahlreiche Videos darüber angesehen, wie man Hunde und Katzen tötet. Nach seiner Festnahme wurden keine weiteren Vorfälle dieser Art gemeldet.

Schuldig wegen Sachbeschädigung

Im Dezember 2019 wurde B. angeklagt, vor zwei Wochen dann der mutwilligen Sachbeschädigung in 16 Fällen für schuldig befunden. Als solche ordnet der Criminal Damage Act von 1971 die Verletzung von Tieren ein, die nicht dem Täter selbst gehören. Wegen des Messers wurde B. zudem des unerlaubten Waffenbesitzes für schuldig befunden. Über das Motiv herrscht weiter Unklarheit.

Die Verkündung des Strafmaßes war ursprünglich für diesen Montag vorgesehen, wurde aber auf den 30. Juli verschoben, da B. wegen einer körperlichen Krankheit kurzfristig ins Krankenhaus musste. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft, wie The Daily Telegraph berichtet, da sich die Tierarztrechnungen der Katzenhalter insgesamt auf etwa 37 000 Euro summierten.

Was B. zu diesen grausamen Taten bewegt hat, weiß wohl nur er selbst. Bei der Urteilsverkündung Ende Juni sagte der Richter Jeremy Gold: "Man kann sich nur vorstellen, welche Verzweiflung die Besitzer dieser Katzen bei dem Gedanken empfanden, dass jemand ihr geliebtes Haustier mit einem Messer erstochen hatte."

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